Obwohl akute Toxizitätsstudien an Tieren unverzichtbare Voraussetzung zur Durchführung klinischer Studien im Menschen sind, lassen sich diese nur bedingt auf den Menschen übertragen und sind daher wissenschaftlich problematisch und ethisch bedenklich. Die internationalen Zulassungsbehörden empfehlen daher im Rahmen von Unbedenklichkeitsstudien neuer Wirkstoffe zunehmend den Einsatz von alternativen In-vitro-Methoden in Übereinstimmung mit dem „3R-Prinzip“ (Replacement, Reduction, Refinement). Diese Methode ersetzt nicht die vorgeschriebenen Toxizitätsstudien, führt aber sowohl zur Reduktion von Tierversuchen als auch zu Kosten- und Zeitersparnis.
Die Pharmacelsus GmbH bietet ihren Kunden eine In-vitro-Testmethode für die Abschätzung der akuten Toxizität unbekannter Substanzen innerhalb ihres Serviceportfolios an. Durch Einsatz dieser vom US-amerikanischen „National Institute of Health“ (NIH) empfohlenen Methode lassen sich nicht nur kostspielige Tierversuche einsparen, sondern auch die Zeit bis zu Studien im Menschen verkürzen. Des Weiteren können die Medizinalchemiker rechtzeitig über den zu erwartenden Substanzbedarf informiert werden, teure und zeitraubende Nachsynthesen würden sich damit erübrigen.
„Die Dosis macht das Gift“
Bevor ein neuer Wirkstoff in klinischen Studien getestet werden kann, muss seine Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. Dieser Nachweis wird in Toxizitätstests an Tieren erbracht und ist von den Zulassungsbehörden zwingend vorgeschrieben. Sinn dieser Studien ist es, eine für den Menschen unbedenkliche Dosis zu ermitteln, mit der man in klinische Studien einsteigen kann. Diese toxikologischen Studien müssen nach den Regeln der „Good Laboratory Practice“ (GLP) mit zwei verschiedenen Tierspezies (meist Ratte und Hund) durchgeführt werden. Obwohl nur ein kleiner Teil der humanen Toxizität durch solche Tierversuche vorhersagbar ist, erteilen die Behörden ohne diese Studien i.d.R. keine Zulassung zur klinischen Testung am Menschen.
Abb. 1 Der Einsatz der von Pharmacelsus angebotenen Extrapolationsmethode hilft, Tierversuche zu reduzieren. Für den Versuch werden kultivierte 3T3-Mausfibroblasten in 96-Well-Mikrotiterplatten verwendet. Bild links: Zellkulturflasche, in denen Zellen in vitro kultiviert werden Bild rechts: 96-Well-Mikrotiterplatte wird mit Medium gefüllt
In den letzten Jahren wurden umfangreiche Studien veröffentlicht (u.a. von Drs. Horst Spielmann, Willi Halle und Kollegen von der „Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch“ (ZEBET)), die zeigten, dass eine signifikante Korrelation zwischen In-vitro- und In-vivo-Toxizität existiert und dass In-vitro-Versuche in der Lage sind, akute Toxizität in Tieren vorherzusagen.
Basierend auf In-vitro- und In-vivo-Toxizitätsdaten von 347 Chemikalien wurde ein Regressionsmodell zur Abschätzung der mittleren letalen Dosis (LD50; d.h. die Dosis, die bei 50 % der getesteten Tiere letal wirkt) entwickelt (Halle and Spielmann, 1992; Halle, 1998).
Abb. 2 Der nicht fluoreszierende Farbstoff Resazurin wird in metabolisch aktiven Zellen in das fluoreszierende Resorufin umgesetzt. Aus dem gemessenen Fluoreszenzsignal kann die Lebendzellzahl bzw. Vitalität der Zellen ermittelt werden.
Diese kann zur Festlegung der Startdosis für die folgenden In-vivo-Toxizitätsstudien wie der „Up and Down Procedure“ (UDP-Methode) oder der „Akute-Toxische Klassenmethode“ (ATC) herangezogen werden. Auf diese Weise lässt sich die Zahl der benötigten Tiere um bis zu 30 % reduzieren. Aufgrund dieser Vorteile ist die Methode inzwischen allgemein anerkannt und wird von verschiedenen internationalen Behörden empfohlen, einschließlich des „Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicology Methods“ (NICEATM), des „National Institue of Environmental Health Sciences“ (NIEHS), und der „US Environmental Protection Agency“ (EPA). Das „US National Institute of Health“ (NIH) hat eine entsprechende Richtlinie (Guidance Document on Using In Vitro Data to Estimate In Vivo Starting Doses for Acute Toxicity, NIH Publikation 01-4500) erstellt. In diesem Artikel wird die Vorgehensweise der In-vitro-Zytotoxizitätstests und die Errechnung der In-vivo-LD50 beschrieben.
Experimentelles Design
Abb. 3 Beispiel der Pharmacelsus/NIH Testmethode unter Verwendung von Referenzsubstanzen
Der NIH-Richtlinie folgend, hat die Pharmacelsus GmbH die beschriebene Methode in ihr Portfolio integriert und bietet sie Kunden der pharmazeutischen Industrie als Service zur Abschätzung der In-vivo-LD50 an. Der Einsatz dieser Methode leistet einen Beitrag zum Einsparen von Tierversuchen und folgt damit dem so genannten 3R-Konzept („Replacement, Reduction, Refinement“) zur Vermeidung oder Verminderung der Verwendung von Versuchstieren. Darüber hinaus können der Entwicklungsprozess neuer Arzneistoffe beschleunigt und Kosten eingespart werden.
Zur Qualifizierung und Durchführung des Testsystems verwendet Pharmacelsus die Maus-Fibroblasten-Zelllinie 3T3 (Klon A31). Ausgewählte Referenzsubstanzen werden mit 3T3-Zellen inkubiert und deren toxische Effekte ermittelt (Abb. 1). Zur Bestimmung der metabolischen Aktivität wird der Resazurin Assay eingesetzt, bei dem der nicht fluoreszierende Farbstoff Resazurin in vitalen Zellen in das fluoreszierende Resorufin umgesetzt wird (Abb. 2). Alternativ kann der Energiegehalt (ATP) der Zellen mittels ATPLite-Assay untersucht werden. Aus der Dosis-Wirkungsbeziehung der Referenzsubstanzen werden die entsprechenden IC50-Werte (d.h. die Konzentration einer Substanz, bei der die Zellvitalität um 50 % reduziert ist) berechnet und gegen die empirisch ermittelten LD50-Werte aufgetragen. Die resultierende Regressionsgerade dient als Basis zur Berechnung der In-vivo-LD50 der Testsubstanz. Die Ergebnisse können zur Festlegung der Startdosis für die UDP-Methode oder die Akute-Toxische Klassenmethode verwendet werden und somit die erforderlichen Dosierungsschritte erheblich einschränken. Eine entsprechende Testserie wurde mit einem Partner aus der Pharmaindustrie erfolgreich durchgeführt und 2010 auf der Jahrestagung der „Society of Toxicology“ in den USA präsentiert.
Qualitätskontrolle
Abbildung 3 zeigt die resultierende Regressionsgerade unter Verwendung der Referenzsubstanzen (gepunktete Linie) im Vergleich zu den NIH-Referenzen (durchgezogene dicke Linie). Die von der NIH vorgegebenen Akzeptanzgrenzen sind als dünne schwarze Linien dargestellt. Die von Pharmacelsus berechneten LD50 -Werte zeigen sehr gute Übereinstimmung mit den realen LD50 -Werten.
Literatur:
Literatur bei den Autoren
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Erstveröffentlichung:
Frühwald, J., Claß, R.,
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1.2012.