Die Mikro-Computertomographie (μCT) ist in den letzten Jahren zu einer Standardmethode in vielen medizinischen, wissenschaftlichen und industriellen Bereichen geworden. Das bildgebende Verfahren ermöglicht die zerstörungsfreie, dreidimensionale Abbildung verschiedenster Strukturen. Ein neues kombiniertes Verfahren macht es dabei möglich, feinste Oberflächenstrukturen sichtbar zu machen.
Die Computertomographie ist ein computergestütztes Verfahren, das mittels Röntgenstrahlung die dreidimensionale Darstellung einer Probe ermöglicht, ohne sie zu zerstören. Sie kommt in unterschiedlichsten Forschungsfeldern zum Einsatz. In der Biologie findet diese Technik beispielsweise breite Anwendung, um damit das Aussehen sowohl rezenter [1] als auch fossiler Organismen [2] aller Größenordnungen zu untersuchen sowie biomechanische Analysen an so unterschiedlichen Tieren wie Dinosauriern und Insekten durchzuführen [3, 4]. In der Geologie wurden schon Einschlüsse und Risse in Gesteinsproben [5] untersucht, in den Materialwissenschaften Infiltration von Proben durch Dämpfe und in der Medizintechnik die Ursachen des Scheiterns von Knieprothesen [6] – die Liste der Beispiele kann beliebig weitergeführt werden.
3D-Modelle aus virtuellen Schnittbildern
Abb. 1 Arbeitsablauf vom CT-Scan zum 3D-Modell. Zuerst wird die Probe, hier eine Hummel, auf einer drehbaren Probebühne montiert und in vielen Rotationsschritten gescannt (A). Bei jedem Rotationsschritt wird ein Durchlichtbild (Tomogramm) gespeichert (B). Aus allen Tomogrammen zusammen werden anschließend digitale Schnittbilder rückprojiziert (C), aus denen wiederum ein detailgetreues 3D-Modell rekonstruiert werden kann (D).
Speziell für kleinere Proben werden oft Mikro-CT-Systeme (µCT) eingesetzt. Dabei können Auflösungen von unter einem Mikrometer erreicht werden. Hierbei wird, anders als bei den aus Krankenhäusern geläufigen Systemen, die Probe um sich selbst gedreht, sodass Röntgenquelle und Röntgendetektor sich nicht bewegen und so Vibrationen verringert werden und ein schärferes Bild erlaubt wird (Abb. 1A). Außerdem ist die Fokussierung des Elektronenstrahls, welcher auf die Röntgenquelle trifft, höher, sodass ebenfalls schärfere Bilder erzeugt werden können. Während sich die Probe in der Scan-Kammer dreht, nimmt der Detektor Röntgenbilder („Projektionen“ oder „Tomogramme“) auf. Oft werden, um eine hinreichende Scanqualität zu erreichen, über 1.000 solcher Tomogramme gespeichert (Abb. 1B). Softwarebasiert werden virtuelle Schnittbilder rekonstruiert (sogenannte „Rückprojektionen“), die übereinandergelegt eine dreidimensionale Repräsentation der Probe darstellen (Abb. 1C). In diesem Bilderstapel können die verschiedenen Strukturen von Interesse genau untersucht und für weitere Analysen ein dreidimensionales Modell rekonstruiert werden (Abb. 1D). Dabei hängt die Qualität der Rückprojektionen davon ab, dass verschiedene Materialien während der Tomographie unterschiedlich stark Röntgenstrahlung absorbieren und dadurch mit unterschiedlichen Grauwerten in den Tomographie-Bildern dargestellt werden. Knochen absorbieren beispielsweise relativ viel Röntgenstrahlung und erscheinen in den Scans sehr deutlich, während die sie umgebenden Weichgewebe wie Muskeln, Nerven und Drüsen wesentlich weniger Strahlung aufnehmen und somit auch in den Scans weniger stark hervortreten.
Sichtbarmachen von Mikrostrukturen
Zur besseren Darstellung auch dieser weniger stark absorbierenden Strukturen, die in den Scans oft undeutlich oder gar nicht erscheinen, gab es bisher verschiedene Methoden, die alle darauf beruhen, dass bestimmte Lösungen die Probe durchdringen. Bestimmte Moleküle, die sich in den Lösungen befinden und stark röntgenabsorbierend sind, reichern sich in den einzelnen Geweben in unterschiedlichen Konzentrationen an und erhöhen dadurch deren Kontrast [7, 8]. Allerdings war es bisher auf diese Weise nicht möglich, den Kontrast vieler feiner und delikater Strukturen an der Oberfläche der Proben gezielt zu erhöhen. Denn solche Strukturen nehmen oft entweder kaum etwas von den Kontrastierlösungen auf, oder werden, wie im Falle von Federn, Härchen und Spinnenseide, durch Flüssigkeiten in ihrer Struktur und Ausrichtung verfälscht oder zerstört. Somit sind eine dreidimensionale Rekonstruktion und Untersuchung solcher Strukturen bisher schwierig bis unmöglich gewesen.
Kontrasterhöhung mittels einer Goldschicht
Abb. 2 Tomogramme (oben) und Oberflächenrekonstruktionen (unten) einer Steinhummel (Bombus lapidarius (Linnaeus, 1758)). Die linke Hälfte des Bildes zeigt die Probe vor der Goldbehandlung, während in der rechten Hälfte des Bildes der Effekt der Kontrasterhöhung durch die aufliegende Goldschicht deutlich wird. Besonders Flügel und die Härchen, die über die gesamte Körperoberfläche verteilt sind, werden nun gut sichtbar.
Diese Lücke wurde nun geschlossen: Mittels eines ebenfalls bereits seit Langem in der Elektronenmikroskopie etablierten Verfahrens – dem sogenannten Sputtern – kann der Oberflächenkontrast von Proben selektiv erhöht werden. Beim Sputtern wird die Probe in einer vakuumierten Probenkammer einem Goldplasma ausgesetzt. Aus diesem Plasma legt sich innerhalb kurzer Zeit eine nur einige Nanometer dicke Schicht aus Goldatomen auf die Probe, welche ansonsten unverändert bleibt. Während diese Goldschicht in der Raster-Elektronenmikroskopie zur Ableitung von elektrischen Ladungen während des Mikroskopiervorgangs dient, kommt bei der neuen, „Chryso-CT“ (nach dem altgriechischen „chrysos“: Gold) genannten Methode die starke Röntgenabsorbtion der Goldschicht zum Tragen [9, 10]. Da die dünne Goldschicht auf der Oberfläche einer besputterten Probe viel Röntgenstrahlung aufnimmt, erscheinen die goldbedeckten Oberflächen in den Tomogrammen wesentlich deutlicher, wodurch einer weiteren dreidimensionalen Untersuchung dieser vorher im Röntgenbild oft unsichtbaren Strukturen nichts mehr im Wege steht (Abb. 2).
Einfache Auftrennung von oberflächlichen und inneren Strukturen
Abb. 3 Virtuelle Schnittbilder des Pedipalpus (eine Kopfextremität) einer Zitterspinne (Artema nephilit Aharon, Huber & Gavish-Regev, 2017). Während der Kontrast der äußeren Kutikula durch die Goldbehandlung ansteigt, bleibt die innere Morphologie der Probe unverändert (B). So wird eine schnelle, grauwertbasierte 3D-Rekonstruktion der äußeren Kutikula getrennt von der inneren Muskulatur ermöglicht (C). Maßstabsbalken: 0,5 mm.
Oft haben Oberflächenstrukturen ähnliche Kontrastwerte und zeigen im Scan daher ähnliche Grauwerte wie die inneren Strukturen derselben Probe. Dies wird in Abb. 3A deutlich: In den Rückprojektionen der Kopfextremität einer Spinne unterscheidet sich die Helligkeit der äußeren Kutikula nicht von der inneren Muskulatur. Es wäre nun aufwändig und mit viel manueller Arbeit verbunden, die Außenkutikula und die Muskulatur als separate 3D-Modelle zu extrahieren. Besputtert man aber die Probe, legt sich die dünne Goldschicht ausschließlich auf die Oberfläche, sodass der Kontrast der Außenkutikula erhöht wird, während das Innere der Probe unverändert bleibt (Abb. 3B). Diese selektive Oberflächenkontrasterhöhung ermöglicht nun eine ausschließlich auf Grauwerten basierende und damit schnell und automatisch durchführbare Extraktion getrennter 3D-Modelle der Kutikula und der inneren Muskulatur (Abb. 3C).
Fazit
Durch diese Kombination von zwei etablierten und weit verbreiteten Methoden können jetzt nicht nur so delikate biologische Strukturen wie Federn, Insektenflügel und sogar Spinnenseide, welche bisher in Tomographien bestenfalls schemenhaft zu sehen war, dargestellt werden, sondern es können auch Oberflächendetails von diversen bisher röntgendurchlässigen nicht-biologischen Proben aus den Materialwissenschaften und der Qualitätssicherung untersucht und ausgewertet werden. Auch Museen können davon profitieren, dass winzige, aber immens interessante Präparate und Phänomene wie die dreidimensionale Struktur von Insektenflügeln, das Verzweigungsmuster von Spinnennetzen, die Häkchenstrukturen innerhalb von Vogelfedern oder die Morphologie eines Löwenzahnsamens nun schnell und in 3D für die Öffentlichkeit aufbereitet werden können.
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Kategorie: Morphologie | Mikro-Computertomographie
Literatur:
[1] Akkari, N., Enghoff, H., Metscher, B. D. (2015) A new dimension in documenting new species: High-detail imaging for myriapod taxonomy and first 3D cybertype of a new millipede species (Diplopoda, Julida, Julidae), PLoS ONE, Vol. 10, No. 8, e0135243, DOI: 10.1371/journal.pone.0135243
[2] van de Kamp, T., Schwermann, A. H., Rolo, T. dos S., Lösel, P. D. et al. (2018) Parasitoid biology preserved in mineralized fossils, Nature Communications, Vol. 9, No. 1, 3325, DOI: 10.1038/s41467-018-05654-y
[3] Young, M. T., Rayfield, E. J., Holliday, C. M., Witmer, L. M. et al. (2012) Cranial biomechanics of Diplodocus (Dinosauria, Sauropoda): testing hypotheses of feeding behaviour in an extinct megaherbivore, Naturwissenschaften, Vol. 99, No. 8, 637-643, DOI: 10.1007/s00114-012-0944-y
[4] Blanke, A., Watson, P. J., Holbrey, R., Fagan, M. J. (2017) Computational biomechanics changes our view on insect head evolution, Proceedings of the Royal Society B, Vol. 284, No. 1848, 20162412, DOI: 10.1098/rspb.2016.2412
[5] Johns, R. A., Steude, J. S., Castanier, L. M., Roberts, P. V. (1993) Nondestructive measurements of fracture aperture in crystalline rock cores using X ray computed tomography, Journal of Geophysical Research: Solid Earth, Vol. 98, No. B2, 1889-1900, DOI: 10.1029/92JB02298
[6] Kurmis, T. P., Kurmis, A. P., Campbell, D. G., Slavotinek, J. P. (2008) Pre-surgical radiologic identification of peri-prosthetic osteolytic lesions around TKRs: a pre-clinical investigation of diagnostic accuracy, Journal of Orthopaedic Surgery and Research, Vol. 3, 47, DOI: 10.1186/1749-799X-3-47
[7] Metscher, B. D. (2009) MicroCT for comparative morphology: simple staining methods allow high-contrast 3D imaging of diverse non-mineralized animal tissues, BMC Physiology, Vol. 9, No. 1, DOI: 10.1186/1472-6793-9-11
[8] Dhondt, S., Vanhaeren, H., Van Loo, D., Cnudde, V., Inzé, D. (2010) Plant structure visualization by high-resolution X-ray computed tomography, Trends in Plant Science, Vol. 15, No. 8, 419-422, DOI: 10.1016/j.tplants.2010.05.002
[9] Rühr, P. T., Lambertz, M. (2019) Surface contrast enhancement of integumentary structures in X-ray tomography, Journal of Anatomy, Vol. 235, No. 2, 379-385, DOI: 10.1111/joa.13008
[10] Lambertz, M. (2020) „Chryso-CT“: Ein neues Verfahren zur computertomographischen Oberflächendarstellung, Naturwissenschaftliche Rundschau, Vol. 73, No. 1, 32–33
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Publikationsdatum:
14.07.2020