Farben auf Acrylbasis gehören zu den am häufigsten verwendeten Farben. Obwohl die Farben auf Wasserbasis hergestellt werden können und dabei geringe Anteile an flüchtigen Substanzen in der Produktion zum Einsatz kommen, weisen Acrylfarben dennoch häufig einen starken Eigengeruch auf. Bislang wurden jedoch noch keine zielgerichteten Studien zur Identifizierung geruchsaktiver Substanzen in Acrylfarben durchgeführt. Jüngste Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe zeigen, dass für den Geruch unter anderem potenziell gesundheitsschädliche Substanzen verantwortlich sein könnten.
Seit der Entdeckung wasserlöslicher Acrylpolymere wurde deren Verbrauch und Weltproduktionsvolumen stetig gesteigert, sodass das Gesamtproduktionsvolumen mit einer jährlichen Wachstumsrate von etwa 3 Prozent auf 5.868 Kilotonnen für das Jahr 2023 geschätzt wird. Neben der Anwendung in Kleb- und Kunststoffen, sowie anderen Beschichtungen, finden Acrylpolymere unter anderem Anwendung im Bereich färbender Mittel. Die Mischbarkeit der Acryldispersionen mit Wasser führte dabei vor allem dazu, dass der Anteil organischer Lösungsmittel in Farben für den Hobby- und Künstlerbedarf nahezu gänzlich durch Wasser als Lösungsmittel ersetzt werden konnte. Neben Wasser enthalten diese wasserbasierten Farben eine Acryldispersion als Bindemittel, farbgebende anorganische oder organische Pigmente und eine Vielzahl anderer Hilfsstoffe, die deren Produkteigenschaften verbessern sollen.
Doch trotz der Intention die Farben lösungsmittel- und geruchsfrei zu produzieren klagen Verbraucher über unangenehme Gerüche und damit assoziierte, mögliche gesundheitliche Effekte der Farben. Um dies zu untersuchen, haben wir je eine schwarze und eine weiße Acrylfarbe drei verschiedener Hersteller auf ihre flüchtigen und geruchsaktiven Substanzen hin untersucht [1]. Zur Untersuchung wurden Verfahren angewendet, die im Bereich der Aroma- bzw. Lebensmittelforschung etabliert sind. Hierbei wurden neben instrumentell-analytischen Methoden zusätzlich humansensorische Methoden angewandt, um diejenigen Substanzen zielgerichtet zuordnen zu können, die für den Gesamtgeruch ursächlich sind.
Nicht jede Farbe riecht unangenehm
Abb. 1 A Geruchsprofile der weißen Farben der verschiedenen Hersteller 1 bis 3 (AP1-3) im Vergleich
Zunächst wurden zu diesem Zweck die Proben an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in deskriptiven, sensorischen Bewertungen von einem geschulten Panel geprüft. Dabei legte das Panel in einer Gruppendiskussion zunächst Attribute fest, die die Geruchseindrücke der Proben am besten beschrieben. In einer zweiten Sitzung wurden die wahrgenommenen Intensitäten dieser Attribute von jedem Probanden auf einer Skala von 0 (keine Wahrnehmung) bis 10 (sehr starke Wahrnehmung) bewertet. So konnte der Geruch verschiedener Proben miteinander verglichen und ein Unterschied zwischen den Gesamtgerüchen der verschiedenen Farben festgestellt werden. Auffällig hierbei war, dass sich Farben desselben Herstellers kaum in ihren Geruchsprofilen unterschieden.
Abb. 1 B Geruchsprofile der schwarzen Farben der verschiedenen Hersteller 1 bis 3 (AP1-3) im Vergleich
Im Gegensatz dazu wurden die Farben verschiedener Hersteller von den geschulten Probanden als sehr unterschiedlich bewertet (Abb. 1), sodass gefolgert werden kann, dass der Geruch der untersuchten Proben unabhängig von den eingesetzten farbgebenden Pigmenten war und somit vor allem von anderen Bestandteilen verursacht wurde. Hierbei zeigten Proben von Hersteller 1 und 2 ihre höchste Übereinstimmung vor allem bei negativ konnotierten Attributen wie „stechend“, „nach Gummi/Plastik“ oder „nach Terpentin“. In den Farbproben von Hersteller 3 wurden hingegen die Attribute „fruchtig“, „citrusartig“ und „alkoholisch“ von den Probanden höher bewertet und die Farben somit positiver wahrgenommen.
Identifizierung der verantwortlichen geruchsaktiven Substanzen
© Fraunhofer IVVAbb. 2 Gaschromatograph mit Olfaktometrie-Port (GC-O). Geruchsaktive Komponenten können von sensorisch speziell geschulten Mitarbeitern erfasst und identifiziert werden.
Um die für den Geruch verantwortlichen Substanzen in den Proben über instrumentelle Analysen zu identifizieren, konnten Methoden, die bereits im Bereich der Aromaforschung zur Geruchsaufklärung von Lebensmitteln erfolgreich angewendet wurden, in den Bereich der Non-Food-Produkte übertragen werden. Dazu wurden potenziell geruchsgebende Komponenten der Farben zunächst mithilfe eines Lösungsmittels extrahiert und über eine lösungsmittelunterstützte Destillation im Hochvakuum (SAFE) von nichtflüchtigen Substanzen getrennt [2]. Da man bei diesen Methoden unter sehr schonenden Bedingungen arbeitet, kann das Risiko minimiert werden, dass während der Aufarbeitung instabile geruchsaktive Verbindungen abgebaut oder neue geruchsaktive Verbindungen gebildet werden. Die im Anschluss aufkonzentrierten Extrakte wurden daraufhin mittels Gaschromatographie-Olfaktometrie (GC-O) bzw. einer Geruchsextraktverdünnungsanalyse (GEVA) analysiert. Hierfür wurden aufeinanderfolgende 1:1-Verdünnungen der Extrakte gaschromatographisch getrennt und mittels Olfaktometrie untersucht, bis über den Sniffing-Port des Gaschromatographen kein Geruch mehr wahrnehmbar war (siehe Abb. 2). Somit konnten besonders geruchsaktive Komponenten bestimmt und über den Vergleich mit Reinsubstanzen vorläufig identifiziert werden. Die endgültige Identifizierung per Massenspektrum erfolgte mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) und im Falle von Überlagerungen mehrerer Substanzen mittels zweidimensionaler Gaschromatographie-Massenspektrometrie/Olfaktometrie (GC-GC-MS/O). Die identifizierten Substanzen, die für den Geruch der untersuchten Farben verantwortlich waren, gehörten verschiedenen Substanzklassen an und stammten aus unterschiedlichen Quellen.
In den Proben von Hersteller 1 und 2 konnten alkylierte Benzenderivate wie z.B. Ethylbenzen, Propylbenzen, Styren, Isopropylbenzen oder sec-Butylbenzen identifiziert werden. Diese Stoffe riechen nach Lösungsmittel bzw. nach Benzin und konnten somit in diesen Proben für den stechenden, gummi- bzw. plastikartigen und terpentinartige Geruch verantwortlich gemacht werden. Jedoch ist von diesen Substanzen bekannt, dass sie eine mögliche negative Auswirkung auf die Gesundheit haben können [3]. Weiterhin konnten in Farben von Hersteller 1 Naphthalen, sowie alkylierte Naphthalen- und Indenderivate identifiziert werden, die zusätzlich einen Geruch nach Mottenkugeln bzw. Plastik beisteuerten und ebenso möglicherweise bedenklich für die Gesundheit sind [4]. Darüber hinaus wurde in diesen Proben eine Vielzahl geruchsloser Alkane identifiziert, was nahelegt, dass die geruchsaktiven aromatischen Verbindungen durch, bei der Herstellung, eingesetzte organische Lösungsmittel in die untersuchten Proben gelangt sind.
Neben den eher stechend riechenden Substanzen konnte das nach Pilz riechende Butylacrylat als Monomer der Polymerdispersion in allen Farben gefunden werden. Während der Geruchsbeitrag dieser Substanz bei den Produkten der Hersteller 1 und 3 eher gering war, war die Substanz in den Proben des Herstellers 2 von wesentlich höherer Relevanz. In diesen Proben war außerdem 2-Ethylhexylacrylat als weiteres Acrylmonomer zu finden, das mit einem Geruch nach Plastik ebenfalls zum Geruch der Farben beitrug.
Ausblick
Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Farben von zwei der drei Hersteller Substanzen enthalten, die möglicherweise bedenklich für die Gesundheit sind. Gefordert sind nun weitere Untersuchungen zu Konzentrationsbereichen der identifizierten Substanzen in einem breiteren Spektrum an Produkten verschiedener Hersteller. Dadurch soll eine bessere Marktübersicht geschaffen werden, um zu beurteilen inwiefern Acrylfarben für die Gesundheit der Anwender überhaupt bedenklich sind. Insbesondere muss geklärt werden, in welchem Umfang die Personen beim Gebrauch der Farben, durch stattfindende Freisetzungsprozesse, den jeweiligen Substanzen ausgesetzt sind. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass zumindest für eine Minderung des störenden Geruchs verschiedene Substanzen in ihrem Gehalt reduziert werden müssen, allen voran Acrylmonomere sowie Benzenderivate. Somit bieten unsere Arbeiten Ansatzpunkte zur Entwicklung geeigneter Vermeidungsstrategien zur Minimierung der Geruchsbelastung durch Acrylfarben – und tragen somit aller Voraussicht nach auch zu einem gesünderen Arbeiten mit Farben bei.
__________________________________________________________________________________________
Infobox
Olfaktometrie
Die Olfaktometrie beschreibt die olfaktorische, also die über den Geruchssinn vermittelte Wahrnehmung und Messung von riechenden Medien und nutzt somit als sensorisches Messverfahren die menschliche Nase als Detektor. Diese Methodik findet nicht nur bei der Bewertung und dem Vergleich von sensorisch auffälligen Prüfmaterialien Anwendung, sondern spielt insbesondere bei der Identifizierung von fehlgeruchverursachenden Substanzen eine entscheidende Rolle. Da bestimmte geruchsaktive Substanzen bereits in geringen Mengen, die durch herkömmliche analytische Detektoren nur schwer erfasst werden können, einen sehr starken Einfluss auf den Geruch von Prüfmaterialien haben können, ist die Olfaktometrie in der Geruchsanalytik eines der potentesten Werkzeuge zur erfolgreichen Geruchsaufklärung.
__________________________________________________________________________________________
Kategorie: Analytische Sensorik | Geruchsanalytik
Literatur:
[1] Bauer, P., Buettner, A. (2018) Characterization of Odorous and Potentially Harmful Substances in Artists' Acrylic Paint, Frontiers in Public Health, 2018 Nov 29, DOI: 10.3389/fpubh.2018.00350
[2] Engel W., Bahr W., Schieberle P. (1999) Solvent assisted flavour evaporation – a new and versatile technique for the careful and direct isolation of aroma compounds from complex food matrices, Eur Food Res Technol. 209, 237-241, DOI: 10.1007/s002170050486
[3] Maltoni C., Conti B., Cotti G., Belpoggi F. (1985) Experimental studies on benzene carcinogenicity at the bologna institute of oncology: current results and ongoing research. Am J Ind Med, 7, 415-446. DOI: 10.1002/ajim.4700070508
[4] Ohnishi, S., Hiraku, Y., Hasegawa, K., Hirakawa, K. et al. (2018) Mechanism of oxidative DNA damage induced by metabolites of carcinogenic naphthalene, Mutat Res. 827, 42–49, DOI: 10.1016/j.mrgentox.2018.01.005
Headerbild: iStock.com | eclipse_images
Publikationsdatum:
16.12.2019