q&more
Meine Merkliste
my.chemie.de  
Login  
Tschulik_Header_qm_Q219_980x442

Mit Licht und Strom dem Schicksal einzelner Nanopartikel auf der Spur

Elektrochemische Dunkelfeldmikroskopie zur Sichtbarmachung und Untersuchung von Reaktionen an einzelnen Nanopartikeln

Mathies V. Evers (Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Analytische Chemie II (NanoEC)), Prof. Dr. Kristina Tschulik (Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Analytische Chemie II (NanoEC)), Kevin Wonner (Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Analytische Chemie II (NanoEC))

Die Kombination aus Dunkelfeldmikroskopie und Elektrochemie macht einzelne Nanopartikel in flüssigem Medium sichtbar. Hiermit kann die Aktivität von Katalysatoren während ihrer Anwendung ermittelt werden. Ebenso können Zerfallsmechanismen von Nanomaterialien in wässrigen Systemen untersucht werden. Letzteres ermöglicht es, die Reaktion von Silbernanopartikeln in chloridhaltiger Lösung zu untersuchen, um das Schicksal dieser häufig genutzten Partikel in der Umwelt besser zu verstehen.

Charakterisierung nanoskaliger Materialien – eine Herausforderung

Nanopartikel helfen uns schon heute im Alltag. Silbernanopartikel finden sich in Sportbekleidung wieder, um geruchsbildende Bakterien zu töten. In Hautcremes sollen Goldnanopartikel vor freien Radikalen schützen, die Haut straffen und Falten vorbeugen. Allerdings ist man sich in der Forschung nicht im Klaren darüber, was mit den Nanopartikeln genau geschieht – in unserem Körper wie auch in der Umwelt [1].

Abb. 1 Immersionsobjektiv des Dunkelfeldmikroskops. Die Kabel sind mit Mikrofaserelektroden unter dem Deckgläschen verbunden.

Selbst die Reaktivität von Nanopartikeln in Laborexperimenten führt zu teils widersprüchlichen Ergebnissen [2]. Dies wird zum Teil durch die Herstellung verursacht, bei der verschiedene Nanopartikelgrößen entstehen. Auf dieser Größenskala haben winzige Unterschiede einen großen Effekt auf die Eigenschaften und die daraus resultierenden Messergebnisse.

Bei konventionellen Methoden werden sehr viele Nanopartikel auf einer Oberfläche aufgebracht und es wird der Gesamtwert all dieser Nanopartikel gemessen, der bei einer zweiten Probe mit leicht unterschiedlicher Größenverteilung stark variieren kann und mitunter wenig Aussagekraft für das Verhalten einzelner Partikel hat. Der Blick auf einzelne Nanopartikel begrenzte sich bisher meist auf Elektronenmikroskopie, die trocken durchgeführt oder im Hochvakuum betrieben wird. Der Blutlaufbahn eines Lebewesens oder einem Teich mit Fischen ist man dabei sehr fern. Um uns solch natürlicher Umgebung zu nähern, haben wir Verfahren der Elektrochemie mit Dunkelfeldmikroskopie verbunden (Abb. 1) [3].

Wie vereint man Spannung mit Licht?

In einem Dunkelfeldmikroskop wird lediglich gestreutes oder von der Probe erzeugtes Licht detektiert, welches wertvolle Information über deren Eigenschaften liefert. Wenn Licht durch einen Nanopartikel gestreut wird, können daraus Schlüsse zu dessen Zusammensetzung und Größe gezogen werden. Die Interaktion, die dabei auftritt, ist die Plasmonenresonanz, also kollektive Schwingungen der freien Elektronen im Partikel [4]. In Silbernanopartikeln werden Plasmonen durch einfallendes Licht angeregt und dieses Licht absorbiert. Dadurch entsteht auf dem Detektor ein Sternenhimmel aus farbigen Punkten.

Abb. 2 Dunkelfeldaufnahme von Silbernanopartikeln auf einem Platin-Iridium-Mikrodraht. Nanopartikel erscheinen als farbige Punkte.

Plasmonenresonanz ist aber auch empfindlich für die Form und Umgebung der Nanopartikel. Bei der Oxidation von Metallen verändert sich die Wellenlänge des scharfen Plasmonenresonanzsignals. Diese Farbveränderung wird ortsaufgelöst im Dunkelfeldmikroskop detektiert (Abb. 2). Das gestreute Licht wird durch eine Hyperspektralkamera zeitlich und örtlich aufgelöst anhand von Spektren im Bereich von 400 bis 1.000 nm Wellenlänge aufgenommen. Im Gegensatz zu bisheriger Literatur können wir damit Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Prozesse für die Signaländerung ziehen. Diese Stärke haben wir erstmals mit elektrochemischen Methoden vereint, um Reaktionen kontrolliert ablaufen zu lassen und zu untersuchen.

In einer elektrochemischen Messzelle unter dem Dunkelfeldmikroskop legen wir ein elektrisches Potenzial an Nanopartikeln in wässrigem Medium an, wodurch eine gewünschte Reaktion angetrieben wird. Dafür werden Mikroelektroden in einer flachen Flüssigkeitszelle zwischen Objektträger und Deckgläschen zusammengeführt (Abb. 3). Auf der Arbeitselektrode betrachten wir dann einzelne Nanopartikel optisch und spektral, während das angelegte elektrische Potenzial die Oxidation oder Reduktion antreibt. Die ortsaufgelöste Operando-Aufzeichnung spektraler Information komplementiert die Stromantwort, da Änderungen an Nanopartikeln deutlich von Nebenreaktionen an der Elektrode unterschieden werden können.

Abb. 3 Schematischer Aufbau eines Dunkelfeldmikroskops mit Hyperspektralkamera (HSI-Kamera) und optischer Kamera (CCD-Kamera)

Obwohl das elektrisch leitende Trägermaterial weitgehend inert ist, können Nebenreaktionen wie Lösungsmittelzersetzung an der großen Oberfläche vergleichsweise hohe Ströme im Bereich von Nano- oder Mikroampere aufweisen. Vereinzelte Nanopartikel hingegen zeigen oft katalytische Ströme von Picoampere. Dennoch kann über das gestreute Licht und den gemessenen Strom mitverfolgt werden, welche chemischen Vorgänge an den einzelnen Nanopartikeln vorgehen.

Elektrochemische Methoden erlauben uns also, die Triebkraft zu steuern und kleine Stromsignale zu messen. Allerdings ist die ortsaufgelöste Dunkelfeldmikroskopie für die Überwachung einzelner Nanopartikel unabdingbar, besonders wenn Hintergrundreaktionen das elektrochemische Signal verdecken.

Das Schicksal von Silbernanopartikeln

Abb. 4 Ergebnis der Elektrochemie-Dunkelfeldmikroskopie. Pfeile zeigen auf die Oxidation von Silberpartikeln zu AgCl. Andere Signale sind sehr groß und überdecken weitere Signale. Jedoch lassen sich anhand des gestreuten Lichtes die chemischen Veränderungen an den Nanopartikeln trotz der großen Stromsignale erkennen.

Die kombinierte Elektrochemie-Dunkelfeldmikroskopie haben wir auf die Oxidation von Silbernanopartikeln angewendet (siehe Abb. 4). In Kaliumchloridlösung wird Silber bei 0,10 V (gegen eine Ag/AgCl-Referenzelektrode) zu Silberchlorid (AgCl) oxidiert. Dabei wird ein kleines Stromsignal gemessen und ein starker Unterschied im gestreuten Lichtspektrum. Wenn das angelegte elektrische Potenzial weiter gesteigert wird, reagiert der Partikel erneut und es entsteht Silber(I,III)oxid (Ag2O3) oder Silberchlorit (AgClO2) während Wasser elektrochemisch gespalten wird. Die Rückreaktion zum elementaren Silber findet bei 0,0 V statt. Die Partikel lassen sich wiederholt oxidieren und reduzieren – nahezu reversibel. Allerdings lassen sie sich in chloridhaltiger Lösung nur schwer auflösen.

Chloridionen sind in unserer Umwelt fast überall zu finden. Das führt dazu, dass Silber sich leicht oxidieren lässt, aber oft nur schwer auflöst. Aus unseren Ergebnissen können wir schließen, dass Silberpartikel eine längere Verweildauer in wässrigen Systemen haben können, als man zunächst vermuten würde. Was genau dies für ihre Biokompatibilität bedeutet, muss in der Zukunft näher untersucht werden.

Mit kombinierter Elektrochemie-Dunkelfeldmikroskopie eröffnet sich ein neuer Weg zur Erschließung von Nanopartikelreaktivitäten. Es lässt sich leicht auf andere Nanopartikel und Lösungen übertragen. Durch die Ortsauflösung können dabei viele Geheimnisse von Nanopartikeln gelüftet werden.

__________________________________________________________________________________________

Kategorie: Elektrochemie | Charakterisierung von Nanopartikeln

Literatur:
[1] a) Ngamchuea, K., Batchelor-McAuley, C., Compton, R.G. (2018) Understanding electroanalytical measurements in authentic human saliva leading to the detection of salivary uric acid, Sens Actuator B Chem, 262, 404-410, DOI: 10.1016/j.snb.2018.02.014;
[1] b) Wong, K.K.Y., Cheung, S.O.F., Huang, L., Niu, J. et al. (2009) Further evidence of the anti-inflammatory effects of silver nanoparticles, ChemMedChem, 4(7), 1129-35, DOI: 10.1002/cmdc.200900049
[2] a) Figueiredo, P.G., Grob, L., Rinklin, P., Krause, K.J., Wolfrum, B. (2018) On-Chip Stochastic Detection of Silver Nanoparticles without a Reference Electrode, ACS Sensors, (1)3, 93-98, DOI: 10.1021/acssensors.7b00559
[2] b) Saw, E.N., Kratz, M., Tschulik, K. (2017) Time-resolved impact electrochemistry for quantitative measurement of single-nanoparticle reaction kinetics, Nano Res.,10(11), 3680-89, DOI: 10.1007/s12274-017-1578-3
[2] c) Cheng, W., Compton, R.G. (2014) Electrochemical detection of nanoparticles by ‘nano-impact’ methods, TrAC, Trends Anal. Chem., 58, 79-89, DOI: 10.1016/j.trac.2014.01.008
[2] d) Oja, S.M., Robinson, D.A., Vitti, N.J., Edwards, M.A. et al. (2017) Observation of Multipeak Collision Behavior during the Electro-Oxidation of Single Ag Nanoparticles, J Am Chem Soc., 139(2), 708-718, DOI: 10.1021/jacs.6b11143
[2] e) Ustarroz, J., Kang, M., Bullions, E., Unwin, P.R. (2017) Impact and oxidation of single silver nanoparticles at electrode surfaces: one shot versus multiple events, Chem. Sci., 8, 1841- 53, DOI: 10.1039/c6sc04483b
[2] f) Patel, A.N., Martinez-Marrades, A., Brasiliense, V., Koshelev, D. et al. (2015) Deciphering the Elementary Steps of Transport-Reaction Processes at Individual Ag Nanoparticles by 3D Superlocalization Microscopy, Nano Lett., 15(10), 6454-63, DOI: 10.1021/acs.nanolett.5b02921
3] a) Wonner, K., Evers, M. V., Tschulik, K. (2018) Simultaneous Opto- and Spectro-Electrochemistry: Reactions of Individual Nanoparticles Uncovered by Dark-Field Microscopy, J. Am. Chem. Soc., 140(40), pp 12658–61, DOI: 10.1021/jacs.8b02367
[3] b) Evers, M.V., Wonner, K., Tschulik, K. (2018) Spannung im Dunkelfeld, Nachr. Chem., 66(12), 1153, DOI: 10.1002/nadc.20184080520
[4] a) Tcherniak, A., Ha, J. W., Dominguez-Medina, S., Slaughter, L.S., Link, S. (2010) Nano Lett., 10(4), 1398-1404, DOI: 10.1021/nl100199h
[4] b) Sardar, R., Funston, A.M., Mulvaney, P., Murray, R.W. (2009) Gold nanoparticles: past, present, and future, Langmuir, 25(24), 13840- 51, DOI: 10.1021/la9019475
[4] c) Willets, K.A., Van Duyne, R.P. (2007) Localized Surface Plasmon Resonance Spectroscopy and Sensing, Annu. Rev. Phys. Chem., 58, 267-97, DOI: 10.1146/annurev.physchem.58.032806.104607
[4] d) Xia, Y., Halas, N. J., (2005) Shape-Controlled Synthesis and Surface Plasmonic Properties of Metallic Nanostructures, MRS Bull., 30(5), 338-48, DOI: 10.1557/mrs2005.96

Publikationsdatum: 25.06.2019

Fakten, Hintergründe, Dossiers

  • Plasmonenresonanz

Mehr über RUB

  • News

    Krimi im Reich der Bakterien

    Bakterien verfügen über eine Vielzahl an Überlebensstrategien, um sich in ihren dicht besiedelten Lebensräumen ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Bestimmte Bakterienarten töten dabei Mikroorganismen einer anderen Art, zersetzen die Zellen und nehmen diese als Nährstoffe auf. Wie das gena ... mehr

    Von der Natur inspirierte Oberflächen aus dem 3D-Drucker

    Mittels Laserstrahlung können Forschende winzige Strukturen mit höchster Präzision drucken. Eine Methode, um die Superkräfte von Tieren und Pflanzen nachzuahmen und sie für die Technik zugänglich zu machen. Um auch in extremen Habitaten überleben zu können, haben viele Tiere und Pflanzen im ... mehr

    Wie Hepatitis E das Immunsystem überlistet

    Über drei Millionen Menschen infizieren sich jedes Jahr mit dem Hepatitis-E-Virus. Bislang gibt es kein spezifisch wirksames Medikament. Welche Faktoren für das Virus im Laufe seines Vermehrungszyklus wichtig sind und wie es ihm gelingt, die Infektion aufrechtzuerhalten, hat ein internation ... mehr

  • q&more Artikel

    Maßgeschneiderte Liganden eröffnen neue Reaktionswege

    Zum ersten Mal konnte ein effizienter Katalysator für die palladiumkatalysierten C–C-Bindungs-knüpfungen zwischen Arylchloriden und Alkyllithium-Verbindungen gefunden werden. Diese Reaktion ermöglicht einfachere Synthesewege für wichtige Produkte. mehr

    Vibrationsspektroskopie - Labelfreies Imaging

    Spektroskopische Methoden erlauben heute mit bisher unerreichter räumlicher und zeitlicher Auflösung tiefe Einblicke in die Funktionsweise biologischer Systeme. Neben der bereits sehr gut etablierten Fluoreszenzspektroskopie wird in den letzten Jahren das große Potenzial der labelfreien Vib ... mehr

  • Autoren

    Henning Steinert

    Henning Steinert, Jahrgang 1993, studierte an der Carl‑von‑Ossietzky Universität Oldenburg Chemie, wo er sich unter anderem mit der Aktivierung von Si–H-Bindungen an Titankomplexen beschäftigte. Aktuell promoviert er an der Ruhr-Universität Bochum am Lehrstuhl für Anorganische Chemie II von ... mehr

    Prof. Dr. Viktoria Däschlein-Gessner

    Viktoria Däschlein-Gessner, Jahrgang 1982, studierte Chemie an den Universitäten Marburg und Würzburg und promovierte im Jahr 2009 an der TU Dortmund. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der University of California in Berkeley (USA) leitete sie eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der Univers ... mehr

    Kevin Wonner

    Kevin Wonner, Jahrgang 1995, studierte Chemie mit dem Schwerpunkt der elektrochemischen Untersuchung von Nanopartikeln an der Ruhr-Universität Bochum und ist seit 2018 Doktorand am Lehrstuhl für Analytische Chemie II von Prof. Dr. Kristina Tschulik im Rahmen des Graduiertenkollegs 2376. Er ... mehr

Whitepaper

Produkt

Meistgelesen

  1. Koffein-Kick
  2. DIN/ISO-konforme Kalibrierung
  3. Extrazelluläre Vesikel als biogene Transporter für Antibiotika
  4. Die US-Pharmakopöe auf der Waagschale
  5. Bildhaft deutlich
  6. Natürlich riskant
  7. Mit Jidoka Probleme im Prozess sofort erkennen und beheben
  8. Organs-on-a-Chip
  9. Analytische Quantifizierung von Gluten in Lebensmitteln
  10. Mikrobieller Abbau von toxischen Azofarbstoffen

Themen A-Z

Alle Themen

q&more – die Networking-Plattform für exzellente Qualität in Labor und Prozess

q&more verfolgt den Anspruch, aktuelle Forschung und innovative Lösungen sichtbar zu machen und den Wissensaustausch zu unterstützen. Im Fokus des breiten Themenspektrums stehen höchste Qualitätsansprüche in einem hochinnovativen Branchenumfeld. Als moderne Wissensplattform bietet q&more den Akteuren im Markt einzigartige Networking-Möglichkeiten. International renommierte Autoren repräsentieren den aktuellen Wissenstand. Die Originalbeiträge werden attraktiv in einem anspruchsvollen Umfeld präsentiert und deutsch und englisch publiziert. Die Inhalte zeigen neue Konzepte und unkonventionelle Lösungsansätze auf.

> mehr zu q&more

q&more wird unterstützt von:

 

Ihr Bowser ist nicht aktuell. Microsoft Internet Explorer 6.0 unterstützt einige Funktionen auf ie.DE nicht.