Die Kombination aus Dunkelfeldmikroskopie und Elektrochemie macht einzelne Nanopartikel in flüssigem Medium sichtbar. Hiermit kann die Aktivität von Katalysatoren während ihrer Anwendung ermittelt werden. Ebenso können Zerfallsmechanismen von Nanomaterialien in wässrigen Systemen untersucht werden. Letzteres ermöglicht es, die Reaktion von Silbernanopartikeln in chloridhaltiger Lösung zu untersuchen, um das Schicksal dieser häufig genutzten Partikel in der Umwelt besser zu verstehen.
Charakterisierung nanoskaliger Materialien – eine Herausforderung
Nanopartikel helfen uns schon heute im Alltag. Silbernanopartikel finden sich in Sportbekleidung wieder, um geruchsbildende Bakterien zu töten. In Hautcremes sollen Goldnanopartikel vor freien Radikalen schützen, die Haut straffen und Falten vorbeugen. Allerdings ist man sich in der Forschung nicht im Klaren darüber, was mit den Nanopartikeln genau geschieht – in unserem Körper wie auch in der Umwelt [1].
Abb. 1 Immersionsobjektiv des Dunkelfeldmikroskops. Die Kabel sind mit Mikrofaserelektroden unter dem Deckgläschen verbunden.
Selbst die Reaktivität von Nanopartikeln in Laborexperimenten führt zu teils widersprüchlichen Ergebnissen [2]. Dies wird zum Teil durch die Herstellung verursacht, bei der verschiedene Nanopartikelgrößen entstehen. Auf dieser Größenskala haben winzige Unterschiede einen großen Effekt auf die Eigenschaften und die daraus resultierenden Messergebnisse.
Bei konventionellen Methoden werden sehr viele Nanopartikel auf einer Oberfläche aufgebracht und es wird der Gesamtwert all dieser Nanopartikel gemessen, der bei einer zweiten Probe mit leicht unterschiedlicher Größenverteilung stark variieren kann und mitunter wenig Aussagekraft für das Verhalten einzelner Partikel hat. Der Blick auf einzelne Nanopartikel begrenzte sich bisher meist auf Elektronenmikroskopie, die trocken durchgeführt oder im Hochvakuum betrieben wird. Der Blutlaufbahn eines Lebewesens oder einem Teich mit Fischen ist man dabei sehr fern. Um uns solch natürlicher Umgebung zu nähern, haben wir Verfahren der Elektrochemie mit Dunkelfeldmikroskopie verbunden (Abb. 1) [3].
Wie vereint man Spannung mit Licht?
In einem Dunkelfeldmikroskop wird lediglich gestreutes oder von der Probe erzeugtes Licht detektiert, welches wertvolle Information über deren Eigenschaften liefert. Wenn Licht durch einen Nanopartikel gestreut wird, können daraus Schlüsse zu dessen Zusammensetzung und Größe gezogen werden. Die Interaktion, die dabei auftritt, ist die Plasmonenresonanz, also kollektive Schwingungen der freien Elektronen im Partikel [4]. In Silbernanopartikeln werden Plasmonen durch einfallendes Licht angeregt und dieses Licht absorbiert. Dadurch entsteht auf dem Detektor ein Sternenhimmel aus farbigen Punkten.
Abb. 2 Dunkelfeldaufnahme von Silbernanopartikeln auf einem Platin-Iridium-Mikrodraht. Nanopartikel erscheinen als farbige Punkte.
Plasmonenresonanz ist aber auch empfindlich für die Form und Umgebung der Nanopartikel. Bei der Oxidation von Metallen verändert sich die Wellenlänge des scharfen Plasmonenresonanzsignals. Diese Farbveränderung wird ortsaufgelöst im Dunkelfeldmikroskop detektiert (Abb. 2). Das gestreute Licht wird durch eine Hyperspektralkamera zeitlich und örtlich aufgelöst anhand von Spektren im Bereich von 400 bis 1.000 nm Wellenlänge aufgenommen. Im Gegensatz zu bisheriger Literatur können wir damit Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Prozesse für die Signaländerung ziehen. Diese Stärke haben wir erstmals mit elektrochemischen Methoden vereint, um Reaktionen kontrolliert ablaufen zu lassen und zu untersuchen.
In einer elektrochemischen Messzelle unter dem Dunkelfeldmikroskop legen wir ein elektrisches Potenzial an Nanopartikeln in wässrigem Medium an, wodurch eine gewünschte Reaktion angetrieben wird. Dafür werden Mikroelektroden in einer flachen Flüssigkeitszelle zwischen Objektträger und Deckgläschen zusammengeführt (Abb. 3). Auf der Arbeitselektrode betrachten wir dann einzelne Nanopartikel optisch und spektral, während das angelegte elektrische Potenzial die Oxidation oder Reduktion antreibt. Die ortsaufgelöste Operando-Aufzeichnung spektraler Information komplementiert die Stromantwort, da Änderungen an Nanopartikeln deutlich von Nebenreaktionen an der Elektrode unterschieden werden können.
Abb. 3 Schematischer Aufbau eines Dunkelfeldmikroskops mit Hyperspektralkamera (HSI-Kamera) und optischer Kamera (CCD-Kamera)
Obwohl das elektrisch leitende Trägermaterial weitgehend inert ist, können Nebenreaktionen wie Lösungsmittelzersetzung an der großen Oberfläche vergleichsweise hohe Ströme im Bereich von Nano- oder Mikroampere aufweisen. Vereinzelte Nanopartikel hingegen zeigen oft katalytische Ströme von Picoampere. Dennoch kann über das gestreute Licht und den gemessenen Strom mitverfolgt werden, welche chemischen Vorgänge an den einzelnen Nanopartikeln vorgehen.
Elektrochemische Methoden erlauben uns also, die Triebkraft zu steuern und kleine Stromsignale zu messen. Allerdings ist die ortsaufgelöste Dunkelfeldmikroskopie für die Überwachung einzelner Nanopartikel unabdingbar, besonders wenn Hintergrundreaktionen das elektrochemische Signal verdecken.
Das Schicksal von Silbernanopartikeln
Abb. 4 Ergebnis der Elektrochemie-Dunkelfeldmikroskopie. Pfeile zeigen auf die Oxidation von Silberpartikeln zu AgCl. Andere Signale sind sehr groß und überdecken weitere Signale. Jedoch lassen sich anhand des gestreuten Lichtes die chemischen Veränderungen an den Nanopartikeln trotz der großen Stromsignale erkennen.
Die kombinierte Elektrochemie-Dunkelfeldmikroskopie haben wir auf die Oxidation von Silbernanopartikeln angewendet (siehe Abb. 4). In Kaliumchloridlösung wird Silber bei 0,10 V (gegen eine Ag/AgCl-Referenzelektrode) zu Silberchlorid (AgCl) oxidiert. Dabei wird ein kleines Stromsignal gemessen und ein starker Unterschied im gestreuten Lichtspektrum. Wenn das angelegte elektrische Potenzial weiter gesteigert wird, reagiert der Partikel erneut und es entsteht Silber(I,III)oxid (Ag2O3) oder Silberchlorit (AgClO2) während Wasser elektrochemisch gespalten wird. Die Rückreaktion zum elementaren Silber findet bei 0,0 V statt. Die Partikel lassen sich wiederholt oxidieren und reduzieren – nahezu reversibel. Allerdings lassen sie sich in chloridhaltiger Lösung nur schwer auflösen.
Chloridionen sind in unserer Umwelt fast überall zu finden. Das führt dazu, dass Silber sich leicht oxidieren lässt, aber oft nur schwer auflöst. Aus unseren Ergebnissen können wir schließen, dass Silberpartikel eine längere Verweildauer in wässrigen Systemen haben können, als man zunächst vermuten würde. Was genau dies für ihre Biokompatibilität bedeutet, muss in der Zukunft näher untersucht werden.
Mit kombinierter Elektrochemie-Dunkelfeldmikroskopie eröffnet sich ein neuer Weg zur Erschließung von Nanopartikelreaktivitäten. Es lässt sich leicht auf andere Nanopartikel und Lösungen übertragen. Durch die Ortsauflösung können dabei viele Geheimnisse von Nanopartikeln gelüftet werden.
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Kategorie: Elektrochemie | Charakterisierung von Nanopartikeln
Literatur:
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Headerbild: © M. V. Evers; iStock.com | peepo; Composing: LUMITOS
Publikationsdatum:
25.06.2019