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HPLC mit unspezifischer Detektion in der pharmazeutischen Qualitätskontrolle

Eine kluge Probenvorbereitung erhöht die Selektivität der Analysenverfahren von Biopharmaka und anderer Arzneimittel

Dr. Stefan Meisen (Solvias AG)

Die Kontrolle von Verunreinigungen ist ein wesentlicher Teil der pharmazeutischen Qualitätskontrolle, da Toxizität und Gehalt von Verunreinigungen in Arzneimitteln die Patientensicherheit beeinflussen. Dazu bedarf es geeigneter, validierter analytischer Verfahren. Die Anforderungen an die Selektivität können bei Anwendung der HPLC mit unspezifischer Detektion eine Herausforderung sein.

Anforderungen an die Selektivität/Spezifizität analytischer Verfahren in der Qualitätskontrolle von Arzneimitteln

Die Bestimmung von Abbauprodukten, von prozessbedingten Verunreinigungen oder Rückständen in Arzneimitteln sowie in deren Rohstoffen, Zwischenprodukten, Wirkstoffen oder Hilfsstoffen stellt ein wichtiges Element der pharmazeutischen Qualitätskontrolle dar. Verunreinigungen müssen daher mittels geeigneter analytischer Verfahren kontrolliert werden [1]. Bei der Validierung solcher analytischer Verfahren schreiben die pharmazeutischen Qualitätsrichtlinien in jedem Fall eine Untersuchung der Spezifizität vor, sowohl für Limittests als auch für Methoden zur quantitativen Bestimmung [2,3]. Wie Vessmann zu Recht feststellt, sind nur wenige Methoden tatsächlich spezifisch im engeren Sinne der Definition, die durch die ICH-Richtlinie gegeben wird [4], haben also die Fähigkeit, den Analyten in der Gegenwart von Komponenten, von denen erwartet werden könnte, dass sie vorhanden sind, unzweideutig zu bewerten [2]. Daher stellt mangelnde Selektivität der angewendeten analytischen Verfahren einen kritischen Faktor dar.

Auswahl einer geeigneten Analysenstrategie

Abb. 1 Verfahrensbeispiele um während der Probenvorbereitung mit Hilfe von Fällungen Matrixbestandteile, die zu Störungen bei der HPLC-Analytik führen, auf Grund unterschiedlicher Löslichkeiten abzutrennen: Quantifizierung von Polypropylenglycolrückständen in einem Biopharmakon (monoklonaler Antikörper) (links), Limittest auf Rückstände eines Polypropylenglycol/Polyethylenglycol-Copolymers in einem Biopharmakon (Plasmid-DNA) (mittig) und Quantifizierung von Glycerin, Diglycerin und höheren Oligomeren in einem aus Sonnenblumenöl erzeugten Fettsäuremonoglycerid (veterinärmedizinischer Hilfsstoff) (rechts)

Kommt die Flüssigkeitschromatographie zur Kontrolle von Verunreinigungen in pharmazeutischen Produkten zum Einsatz, kann grundsätzlich die Selektivität bezüglich chromatographischer Trennleistung und Detektorauflösung erheblich gesteigert werden, wenn modernste Analysensysteme wie etwa die UPLC mit leistungsstarken Massenspektrometern gekoppelt werden. Dabei erfährt auch die Empfindlichkeit in der Regel eine entsprechende Steigerung. Je nach analytischer Fragestellung ist jedoch der Einsatz solcher Systeme nicht immer zwingend von Vorteil, da diese auch immer mit deutlich höheren Kosten verbunden sind als die konventionelle HPLC mit z.B. der UV-Detektion.

Sogar eine Bestimmung solcher Analyten, die nur eine geringe oder keine UV-Aktivität aufweisen, kann mit Hilfe der HPLC unter Verwendung von UV-, Brechungsindex (RI)- oder Streulichtdetektoren (ELSD) bis hinunter in den ppm-Bereich möglich sein, wenn eine geeignete Strategie zur Probenvorbereitung zum Einsatz kommt.

Chromatographische Interferenzen können meistens deutlich minimiert oder vollständig eliminiert werden, wenn es gelingt, störende Matrixbestandteilen vor der HPLC-Analyse auf Grund unterschiedlicher physikochemischer Eigenschaften abzutrennen. Hierzu können beispielsweise Unterschiede in der Löslichkeit (siehe Abb. 1) oder im Molekulargewicht (siehe Abb. 2) bei der Probenvorbereitung genutzt werden. Anhand einiger konkreter analytischer Fragestellungen (siehe Tab. 1) soll nachfolgend beispielhaft veranschaulicht werden, dass solche Methoden recht einfach sein können.

Beispiele zur Probenvorbereitung aus der HPLC-Analytik von Biopharmazeutika

Abb. 2 Verfahrensbeispiele, um während der Probenvorbereitung mit Hilfe von Ultrafiltration höhermolekulare Matrixbestandteile, die zu Störungen bei der HPLC-Analytik führen, abzutrennen: Limittest auf Isopropyl-β-D-thiogalactopyranosid in einem Biopharmakon (Zytokinimmunstimulant) (links), Quantifizierung von Octansäure in einem Biopharmakon (monoklonaler Antikörper) (mittig) und Quantifizierung von 2,6-Xylidin und 10 weiterer Nebenkomponenten von Lidocaine in einem Hyaluronsäure-Hautauffüller (rechts)

Bei der Qualitätskontrolle von Biopharmazeutika wird auch auf Rückstände aus dem biotechnologischen Herstellverfahren geprüft. Bei deren HPLC-Analytik können grundsätzlich auch solche Verfahren, die eigentlich zur Isolierung von Proteinen verwendet werden, bei der Probenvorbereitung zum Einsatz kommen, wenn etwa die biopharmazeutischen Wirkstoffe stören.

Mit Hilfe von Acetonitril lassen sich beispielsweise Proteine aus wässrigen Proben ausfällen. Es kann eine nachfolgende Zentrifugation reichen, so dass der Überstand direkt mittels HPLC analysiert werden kann, oder es muss konzentriert werden, um die notwendige Empfindlichkeit zu erreichen (siehe Abb. 1).

Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, Rückstände von Antischaummitteln (Polypropylenglycol oder Copolymere von Polyethylenglycol und Polypropylenglycol), die aus dem biotechnologischen Herstellungsprozess stammen, mittels HPLC-ELSD in Biopharmazeutika zu bestimmen. Diese Substanzen lassen sich dadurch sowohl in Wirkstofflösungen als auch in Proben zur Inprozesskontrolle von monoklonalen Antikörpern oder von Plasmid-DNA flüssigkeitschromatographisch mittels C5- oder Polyhydroxymethacrylatphasen bestimmen (siehe Tab. 2).

Tab. 1 Ausgewählte Fallbeispiele zur Kontrolle von spezifizierten Verunreinigungen und Nebenkomponenten in unterschiedlichen pharmazeutischen Produkten mittels HPLC

Makromolekulare Matrixbestandteile lassen sich auch auf recht einfache Weise selektiv mit Hilfe der Ultrafiltration abtrennen, wenn es etwa bei der Acetonitril-Fällung zur Mitfällung des Analyten und somit zu schlechten Wiederfindungen kommt. Hierzu eignen sich sehr gut gebrauchsfertige Einheiten zur zentrifugalen Ultrafiltration. Diese sind mit unterschiedlichen Membranmaterialien, mit definiertem Molekulargewichts-Cut-Off und in verschiedenen Größen erhältlich, so dass die Handhabung unterschiedlicher Volumina bis hin zu wenigen 100 μL möglich ist. Auch hier kann ein einzelner Ultrafiltrationsschritt zum Erfolg führen oder es müssen weitere Aufarbeitungsschritte folgen (siehe Abb. 2).

Die Bestimmung von Octansäure, die als Hilfsmittel bei der Proteinreinigung via Fällung eingesetzt wird, kann beispielsweise mittels HPLC-UV unter Verwendung einer C8-Phase direkt im Ultrafiltrat erfolgen (siehe Tab. 2). Für einen Limittest eines biotechnologisch hergestellten Immunstimmulanzes zur Kontrolle von Isopropyl-β-D-thiogalactopyranosid (IPTG) mit Hilfe der HPLC-ELSD reicht die Ultrafiltration alleine nicht aus, um alle störenden Matrixbestandteile abzutrennen. Erst durch einen zusätzlichen Fällungsschritt nach der Ultrafiltration können die wässerigen Wirkstoffformulierungen und verschiedene Proben aus dem Downstream-Prozess auf IPTG, das zum Induzieren der Genexpression in den E. Coli-Kulturen verwendet wird, ohne chromatographische Interferenzen mit Hilfe der hydrophilen Interaktionschromatographie (HILIC) getestet werden (siehe Tab. 2).

Beispiele anderer pharmazeutischer Produkte

Tab. 2 Eingesetzte HPLC-Analytik, Verfahren zur Probenvorbereitung und analytische Kenndaten zu den in Tabelle 1 gezeigten Fallbeispielen

Die bei der HPLC-Analytik von Biopharmaka verbreitete Methodik, makromolekulare Bestandteile mit Hilfe der zentrifugalen Ultrafiltration zu entfernen, lässt sich auch auf ganz andere analytische Fragestellungen übertragen. Um in einem Hyaluronsäure-Hautauffüllergel 2,6-Xylidin und 10 weitere bekannten Nebenkomponenten von Lidocaine, das dem Produkt in Form des Hydrochlorids als Lokalanästhetikum in geringen Mengen (0,3 %) beigegeben ist, mit ausreichender Empfindlichkeit (LOQ: 0,5 μg/g–4,4 μg/g) mittels HPLC-UV bestimmen zu können, ist auf Grund der ansonsten erheblichen Konzentration in Lösung eine Abtrennung der Hyaluronsäure unerlässlich. Hierzu wurde die zentrifugale Ultrafiltration erfolgreich etabliert (siehe Tab. 2).

Abschließend soll ein weiteres Beispiel erwähnt werden, das zeigt, wie mit Hilfe von Unterschieden in der Löslichkeit eine einfache, effiziente und selektive Probenaufarbeitung gelingen kann. Zur Bestimmung von freiem Glycerin, Diglycerin und höheren Oligomeren in einem Fettsäuremonoglycerid, das aus Sonnenblumenöl hergestellt wird und als Emulgator für die Formulierung von veterinärmedizinischen Produkten dient, ist die ionenmoderierte Verteilungschromatographie geeignet. Eine Trennung von Glycerin, Diglycerin bis hin zum Hexaglycerin ist an einer Kationenaustauscherphase (H-Form) möglich, wenn zuvor die polaren Analyten aus der unpolaren Probenmatrix isoliert werden können. Hierzu können die Lipidbestandteile der Probe aus ethanolischer Lösung durch Mischen mit Wasser ausgefällt und durch Filtration abgetrennt werden (siehe Abb. 1). Das Filtrat kann unmittelbar mittels HPLC-RI analysiert werden (siehe Tab. 2).

Fazit/Ausblick

Auch mittels konventioneller HPLC mit unspezifischer Detektion (z.B. RI oder ELSD) oder mit wenig spezifischer UV-Detektion im niedrigen Wellenlängenbereich können Verunreinigungen in pharmazeutischen Produkten noch im Spurenbereich mit ausreichender Selektivität bestimmt werden, wenn mittels geeigneter Probenvorbereitung störende Matrixbestandteile abgetrennt werden. Auch mittels recht einfacher Verfahren wie beispielsweise der Fällung mit anschließender Zentrifugation oder der zentrifugalen Ultrafiltration lassen sich robuste Methoden entwickeln, die dem notwendigen Anspruch an Empfindlichkeit, Präzision und Richtigkeit erfüllen (siehe Tab. 2).

Danksagung

Der Autor bedankt sich bei den zahlreichen Kollegen der Gruppe „Analytik kleine Moleküle“ bei der Solvias AG, die an der Entwicklung und Validierung der Methoden gearbeitet haben. Der Artikel wäre in dieser Form ohne Roger Fischler, Sven Gärtner, Michael Jakobs, Anita Lutterotti, Rémy Metzger und Michèle Suter nicht möglich gewesen.

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Infobox

„Analytik kleine Moleküle“

Innerhalb der Solvias AG, Anbieter chemisch-analytischer Dienstleistungen für die pharmazeutische und biopharmazeutische Industrie, ist die Gruppe „Analytik kleine Moleküle“ bei der analytischen Entwicklung von Arzneimitteln auf Basis klassischer aktiver Wirkstoffe, also kleiner Moleküle aus chemischer Herstellung, für die Entwicklung und Validierung von GC- und HPLC-Methoden verantwortlich, die zur Gehalts- und Reinheitsbestimmung, zur Bestimmung von Nebenkomponenten und Restlösemitteln sowie für Stabilitätsstudien an Wirkstoffen und Arzneimitteln dienen. In den letzten Jahren ist die Gruppe vermehrt auch mit der Entwicklung und Validierung von analytischen Methoden zur Bestimmung von Hilfsstoffen und prozessbedingten Verunreinigungen in Biopharmazeutika betraut.

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Literatur:
[1] Ph. Eur. 9.5, Kapitel 5.10, Control of impurities in substances for pharmaceutical use, 04/2012:51000
[2] International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use, ICH Harmonised Tripartite Guideline, Validation of Analytical Procedures: Text and Methodology, Q2(R1), 27. Oktober 1994
[3] USP 41–NF 36, General Chapters: <1225> Validation of Compendial Procedures, 1. August 2018
[4] Vessman, J. (1996), Analytical Survey: Selectivity or Specificity? Validation of analytical methods from the perspective of an analytical chemist in the pharmaceutical industry, J. Pharm. Biomed. Anal., 14, 867-869, DOI: 10.1016/0731-7085(95)01679-1

Publikationsdatum: 03.12.2018

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  • Autoren

    Dr. Stefan Meisen

    Stefan Meisen, Jahrgang 1971, studierte Chemie zunächst an der Universität Dortmund und dann später an der Universität Duisburg-Essen, wo er ebenfalls 2008 im Fachgebiet Analytische Chemie promovierte. In dieser Zeit verbrachte er auch als Stipendiat etwa ein Jahr an der Technischen Univers ... mehr

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