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Open Innovation

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Universität und Wirtschaft – gewinnbringende Partnerschaft

Dr. Herbert Reutimann (Unitectra AG, Technologietransfer der Universitäten Basel, Bern and Zürich)

Universitäre Forschung ist vorwiegend auf die Erarbeitung neuer wissenschaftlicher ­Erkenntnisse ausgerichtet. Sie ist aber auch ein wichtiges Element in der Aus- und Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Grundsätzlich steht die Gewinnung von wissenschaftlichen Resultaten im Zentrum, die mittel- bis langfristig einen Nutzen für die menschliche Gesellschaft bringen. Der Nutzen orientiert sich dabei nicht nur an ­ökonomischen Kriterien, vielmehr geht es um gesellschaftlichen Nutzen im weitesten Sinn. Gerade in der biomedizinischen und naturwissenschaftlichen Forschung generiert universitäre Forschung jedoch häufig Wissen, das auch wichtige Grundlagen für wirtschaftliche Anwendungen bildet. Noch ausgeprägter ist dies in den an den technischen Hochschulen betriebenen Ingenieurwissenschaften oder anderen technischen Disziplinen.

Prionics®-Check WESTERN, Lokomat®, Intego®, Intron-A®, Schatzsuche, CURA-baby® und CAS-one®
(Abb. 1) sind Beispiele von Produkten, die maßgeblich auf Forschungs­arbeiten der Universitäten Bern und Zürich und ihren ­assoziierten Spitälern basieren (Tab. 1). Gemeinsam ist all den erwähnten Produkten, dass die Forschenden der Universitäten die wissenschaftlich-technischen Grundlagen erarbeiteten, einen funktionellen Prototyp entwickelten oder im Tierversuch die Richtigkeit des Konzepts aufzeigen konnten.

Die eigentliche Produktentwicklung ist hingegen nicht die Domäne der Universitäten, da dies weder im Interesse der Forschenden der Universitäten ist noch zu deren Kernaufgaben gehört. Zudem würden oft das spezifische Knowhow und die notwendige Infrastruktur für eine professionelle Produktentwicklung fehlen. Die Universitäten sind deshalb auf Wirtschaftspartner angewiesen, die interessiert und in der Lage sind, solche Projekte zu übernehmen, bis zur Marktreife zu entwickeln und die Produkte auf dem Markt einzuführen. 



Von der Idee zum Markt

Die wirtschaftliche Umsetzung kann entweder durch eine bestehende Firma erfolgen oder durch eine Spin-off Firma, d.h. ein durch Forschende der Universität (mit-)gegründetes Unternehmen. Diese Phase des Übergangs eines Projekts von der Universität in ein Unternehmen ist häufig schwierig. Dies liegt vor allem daran, dass der Weg bis zu einem marktreifen Produkt noch lang ist und Entwicklungsaufwand und Entwicklungsrisiken entsprechend hoch sind. Interessierte Unternehmen verlangen deshalb von der Universität nicht selten zusätzliche F&E-Arbeiten, bevor sie einen definitiven Investitions­entscheid fällen. Dies gilt auch für reine Finanzinvestoren (z.B. Venture Kapital- Firmen), die Projekte teilweise verwerfen, weil sie aus ihrer Sicht noch zu wenig ausgereift sind. Diese „Lücke“ zu überbrücken ist nicht einfach, da an der Universität die finanziellen Mittel und das Knowhow zur Weiterentwicklung des Projekts fehlen und dies, wie erwähnt, auch nicht Aufgabe der Universitäten ist. 

Eine Frage der Mittel

Um diesem auch als „valley of death“ bezeichneten Problem Rechnung zu tragen, wurden an den Universitäten verschiedene Modelle entwickelt. Sehr verbreitet sind die sog. „Proof-of-Concept Fonds“ (PoC-Fonds), mit denen Projekte im kleinen Umfang finanziell unterstützt werden können, um sie so näher an mögliche Wirtschaftspartner heranzuführen bzw. die für einen Investitionsentscheid notwendigen Grundlagen zu erarbeiten. Solche Fonds können somit helfen, den Übergang eines Projekts in die Wirtschaft zu fördern. Die Arbeiten können dabei entweder an der Universität selbst stattfinden – sofern die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind – oder sie werden durch einen Dritten im Auftrag ausgeführt, z.B. durch eine Fachhochschule oder eine Firma. PoC-Fonds finden sich heute an vielen forschungsorientierten Universitäten und stellen ein nützliches Instrument dar. Allerdings sind sie in ihren Möglichkeiten limitiert, da der maximale Unter­stützungsbeitrag pro Projekt meistens im Bereich von 20.000 bis höchstens 100.000 Schweizer Franken liegt. 

Gerade Forschungsarbeiten in Life Sciences-Projekten sind oft sehr kostenintensiv, sodass die Mittel des PoC-Fonds häufig nicht ausreichen, um die erwähnte Lücke zur Wirtschaft schließen. Ein weiteres Problem kann die Bereitstellung der notwendigen Mittel für PoC-Fonds darstellen, da die Universitäten solche in Richtung Produktentwicklung ausgerichtete Arbeiten nicht als Kernaufgabe sehen und deshalb die knappen Mittel dafür nicht einsetzen wollen. In diversen Ländern (z.B. in den USA, in Großbritannien, in den Niederlanden, in Belgien) investiert deshalb der Staat außerhalb der normalen Hochschulfinanzierung substanzielle Mittel für diesen Zweck. In der Schweiz stehen für einen solchen Fonds hingegen kaum öffentliche Mittel zur Verfügung, weshalb private Geldgeber gefunden werden müssen. 

Früher Zugang zu Ideen

Insbesondere im Pharmabereich ist seit Jahren ein starker Trend zu vermehrtem Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsleistungen zu beobachten. Ein großer Teil betrifft dabei Kooperationen mit anderen Firmen wie CMO, CRO oder kleinen Biotech-Unternehmen. Gerade im Hinblick auf wirklich neuartige Therapieansätze spielen jedoch in den letzten Jahren auch Universitäten wieder eine zunehmend wichtige Rolle. Diverse große Pharma­firmen haben entsprechende Open Innovation-Programme gestartet, die ihnen frühzeitigen Zugang zu innovativen Ideen geben sollen bzw. in deren Rahmen sie selbst Ideen einbringen, die dann von universitären Forschungs­gruppen aufgenommen und bearbeitet werden können. Dies ermöglicht es den Firmen, sehr kosteneffizient eine Vielzahl von (risikoreichen) Projekten zu bearbeiten und so von den Stärken der akademischen Forschung zu profitieren. Richtig ausgestaltet sind solche Programme auch für die Universitäten und deren Forschende von Interesse, da spannende und relevante Forschungsprojekte bearbeitet werden können, die von den Firmen sowohl finanziell als auch mit Sachleistungen und Knowhow unterstützt werden, ohne dass die notwendigen Freiheiten der Forschenden beschränkt werden. Im Idealfall führt dies dazu, dass Wissen aus verschiedenen Disziplinen aus Universität und Firma frühzeitig in ein Projekt einfließt und dieses so aus der Grundlagenforschung viel ziel­gerichteter und effizienter in Richtung Entwicklung, Registrierung und Vermarktung eines Produkts voran­getrieben werden kann. Ein solches Poolen von Wissen aus der Grundlagenforschung, der präklinischen und klinischen Entwicklung bis hin zu regulatorischen oder produktionsspezifischen Aspekten bietet ein großes Potenzial in der Kooperation zwischen Universitäten und Wirtschaft. Nicht zuletzt kann so auch das „not-invented-here Syndrom“ vermieden werden, das nicht selten den Übergang von Projekten aus der Universität in die Wirtschaft maßgeblich erschwert. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, welche dieser neuen Ansätze im Bereich Open Innovation sich bewähren und entsprechende Erfolge hervorbringen.

Literatur:
Literatur beim Autor

Erstveröffentlichung: Reutimann, H., q&more, 1.2012.

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    Dr. Herbert Reutimann

    Herbert Reutimann ist Geschäfts­führer und Mitgründer von Unitectra, der gemeinsamen Technologietransfer-Organisation der Universitäten Basel, Bern und Zürich und den mit den Universitäten assoziierten Spitälern. Herbert Reutimann studierte Naturwissenschaften und promovierte an der ETH Zür ... mehr

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