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Innovationen vom Labor zur kommerziellen Anwendung

Prof. Dr. Arne Skerra (Technische Universität München, Lehrstuhl für Biologische Chemie)

Die Struktur der chemischen und pharmazeutischen Großindustrie hat sich gewandelt. Traditionelle Zentralforschungsabteilungen, in denen grundlagennahe Wissenschaft ­betrieben wurde, sind ökonomischen Renditebetrachtungen zum Opfer gefallen. Dafür bereichern zunehmend junge, dynamische Start-up-Firmen die Szene. Auf diese Weise entstehen neuartige internationale Kooperationsmodelle für die Umsetzung von wissenschaftlichen Ideen und Erkenntnissen in Produkte.

Die Biotechindustrie hat sich auch in Deutschland zu einer etablierten Branche mit Geschäftsideen entwickelt, die meist aus Universitäten oder Forschungsinstituten stammen und von jungen Wissenschaftlern in die wirtschaftliche Praxis umgesetzt werden. Unterstützt von Management- und Businessplanseminaren sind Firmengründungen für Absolventen biowissenschaftlicher Studiengänge heute eine ernst zu nehmende Alternative zu konventionellen Berufswegen, die durch den industriellen Strukturwandel ohnehin immer seltener werden. Öffentliche Förderprogramme wie GO-Bio, EXIST und FLÜGGE stützen derlei Initiativen in unterschiedlichen Phasen.

Der Trend färbt zunehmend auf andere Gebiete in Chemie, Physik und Ingenieurtechnik ab, wo sich – ­gemessen am Innovations- und Humanpotenzial – ähnlich fruchtbare Rahmenbedingungen an den Hochschulen finden. Allerdings stehen langer Zeit- und hoher Entwicklungsaufwand sowie erhebliche Produktionskosten einer stark variierenden Werthaltigkeit der Erzeugnisse gegenüber. Garant für die Renditen der Investoren ist im Fall der Biotechunternehmen meist die Aussicht auf spätere klinische Zulassung eines lukrativen Blockbuster-Medikaments. Im Gegensatz dazu steht beispielsweise ­in der Chemie das Massengeschäft: Die Produktion von Chemikalien oder Polymeren im großen Maßstab, aber mit geringen Gewinnmargen und das bei hohem ­Kapitalaufwand für Anlagen.

Allerdings bieten sich auch in diesem Sektor Chancen ­zur Wertschöpfung mit hochinnovativen Verfahren bzw. veredelten Produkten und einem Business to Business (B2B)-Geschäftsmodell. Das Generieren von neuem Knowhow und Patenten ist der eigentliche Werttreiber ­für solche Start-up-Unternehmen und verschafft diesen gegenüber den etablierten Großunternehmen eine Daseinsberechtigung, die sich ihrerseits zunehmend auf regulatorische Aspekte (technische Sicherheit, behördliche Zulassung), Massenproduktion für den Endverbraucher sowie Vermarktung und Vertrieb konzentrieren. Die hohe Dynamik der Innovationen in einem wenig hierarchischen, hochflexiblen und undogmatischen Umfeld hat beispielhaft zwischen der Biotech-Start-up-Szene und Pharmakonzernen zu einer Gewinn bringenden Arbeits­teilung geführt. Allerdings verdienen zwei Aspekte Aufmerksamkeit, um die Entwicklung nicht zum Stocken zu bringen.

Einerseits besteht ein Problem in der Frühphasenfinanzierung von Innovationsentwicklungen durch Firmengründungen. Die Lücke zwischen der meist aus öffentlichen Fördermitteln finanzierten Seed-Phase und der auf Produktentwicklung und Expansion ausgerichteten Start-up-Phase ist in den letzten Jahren größer geworden. Hier müssen neue Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen Wagniskapitalgesellschaften und Privatinvestoren gefunden werden. Während für Erstere eine Investition erst ab einem bestimmten Volumen und ­einem schon kalkulierbaren Entwicklungsstadium der technischen Innovation interessant ist, sind Letztere oft risikofreudiger und mehr an der Gründerpersönlichkeit orientiert; jedoch liefert es wenig Ansporn, wenn private Kapitalgeber – einschließlich der beteiligten Firmen­gründer – im Verlauf nachfolgender Finanzierungs­runden durch Venture Capital marginalisiert werden.

Andererseits scheint das universitäre Intellectual Property (IP) Management verbesserungswürdig. Obwohl die meisten Universitäten heute über eigene Technologietransferstellen und Erfinderbüros verfügen, sind die Prozesse oft bürokratisiert und von unrealistischen frühen Gewinnerwartungen bestimmt. Die Neufassung des deutschen Arbeitnehmererfindungsgesetzes von 2002, mit der Hochschulbeschäftigten die erfinderische Eigenständigkeit genommen wurde, war eher kontraproduktiv. Das Gewicht der universitären IP  – im Gegensatz zu den fachlich mehr fokussierten Großforschungsinstitutionen wie Max-Planck- oder Helmholtz-Gemeinschaft – liegt ­auf einem breiten Spektrum vereinzelter hochinnovativer Entdeckungen/Entwicklungen mit meist noch unge­ nügender Anwendungsreife. Die Wandlung dieses stark polarisierten Chance-Risiko-Verhältnisses zu einer tragfähigen Innovation erfordert hohen persönlichen Einsatz, gepaart mit unternehmerischem Geschick, ­wobei sich zu komplexe Entscheidungswege stets als starkes Hemmnis erweisen.

Der Handlungsbedarf auf diesen Feldern wurde ­erkannt und es steht zu hoffen, dass die Translation von Ergebnissen aus der universitären Grundlagenforschung in die wirtschaftliche Anwendung gerade in einem auf technische Neuerungen angewiesenen Land an Effizienz ­noch deutlich gewinnt.

Erstveröffentlichung: Skerra, A., q&more, 2.2011.

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