Soeben bin ich 63 Jahre alt geworden.
Mein Motto zum optimistischen Altwerden und unausweichlichen Sterben?
„Die Idee ist, jung zu sterben, aber so spät wie nur eben möglich…“
Ein zweifellos guter Vorsatz…
Die Lebenserwartung in Europa hat sich, historisch betrachtet, von lichten 20 Jahren beim Neandertaler
über 40 im 19. Jahrhundert und 70 in der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute in Deutschland auf 83 Jahre für Frauen und 78 für Männer entwickelt. Seit vier Generationen steigt sie fast linear an, und eine Sättigung dieser Kurve ist noch lange nicht abzusehen.
Was kann nun die Biotechnologie, speziell die Analytische Biotechnologie, schon heute dazu beitragen, dass wir „gesund und munter“ älter werden?
Bisher wurde die gesteigerte Lebenserwartung durch folgende Faktoren beeinflusst: drastische Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit, verbesserte Hygiene und Desinfektion, ausreichende Nahrung, Impfungen und Antibiotika. Letztere waren das Ergebnis der ersten biotechnologischen Revolution: Die Pocken wurden
so ausgerottet, Masern sollen folgen. Eine Welt ohne menschliche Infektionskrankheiten böte sicher allen
ein längeres Leben. Das gleiche träfe logisch auf eine Welt ohne jeden Krieg zu. Noch heute stirbt aber in jeder Minute ein Kind an Malaria, sind in den Krisenherden der Welt täglich Opfer der bewaffneten Konflikte zu beklagen.
Die Verlängerung der Lebenserwartung setzte bisher fast immer vor dem Erwachsenenalter an. Es gab, abgesehen von den Antibiotika, kaum lebensverlängernde Maßnahmen für bereits Erwachsene. Die Biotech-OPTIMISTEN, wie mein Freund Jim Larrick in Kalifornien, meinen: „Mit geändertem Lebensstil, der richtigen Diät und maßgeschneiderten Pharmaka sind für jedermann 120 Jahre in bester Gesundheit möglich!“
Welche neuen Biotechprodukte helfen nun, heute und in Zukunft, diese 120 zu erreichen? Rekombinante Antikörper, Stammzellen, Biopharmaka und Bioanalytica. Bei der Bioanalytik, meinem Spezialgebiet, sind es vor allem Glukose-, Immuno-Schnell- und DNA-Tests. Ich zeige das im Folgenden am persönlichen Beispiel auf. Am Zentralinstitut für Molekularbiologie (ZIM) Berlin-Buch habe ich von 1975 bis 1981 in der Gruppe von Professor Frieder Scheller geforscht. Scheller entwickelte hier trotz der begrenzten Mittel der DDR den weltbesten Biosensor für Glukose, der bis zu 10.000 Mal wiederverwendet werden kann. Seiner Zeit weit voraus…
Lebensverlängerung durch Bioanalytik!
Mit Früherkennung durch Biosensoren, entsprechender Umstellung des Lebensstils und eventueller Gabe von gentechnischem Humaninsulin können heute schon die lebensverkürzenden Folgen von Diabetes mellitus vermieden werden. Meine Glukosewerte in nüchternem Zustand waren vor einem Monat leicht erhöht, ich antworte darauf mit einer Umstellung meiner Ernährung und verstärke endlich auch meine sportlichen Aktivitäten. Lebensverlängerung durch Bioanalytik!
Ein zweites Beispiel: In Hongkong entwickelten wir an der HKUST im Jahr 2000 den schnellsten Herzinfarkttest der Welt (s. Renneberg&Glatz, 2013, labor&more 1).
Dieser „eigene“ FABP-Immuno-Schnelltest rettete dann 2008 dramatisch mein Leben, indem er sofort einen bevorstehenden Infarkt anzeigte. Nach überlebtem Mini-Infarkt bekam ich Warfarin (Marcumar) zur permanenten Blutverdünnung. Soweit, so gut…
Nummer 3: 2010 ließ ich meine DNA von der Firma „23andMe“ in den USA testen. Hochinteressant war beim Ergebnis, dass ich die Gene für Nikotinabhängigkeit 5-mal verstärkt trage. Mein Vater rauchte 40 Zigaretten pro Tag! Meine Konsequenz? Höchstens einen Zigarillo „auf Backe“… Auch mein Infarktrisiko war übrigens in der DNA zu erkennen gewesen. Ein „echter Hammer“ aber war in der DNA-Diagnose die Überempfindlichkeit
für ausgerechnet ein Pharmakon: Warfarin! 2009 war ich in China nach einer massiven Hirnblutung ins Koma gefallen – Ursache Warfarin! Shanghaier Ärzte retteten mir damals das Leben. Späte Erkenntnis: Ich hätte NIEMALS Warfarin bekommen dürfen! Was ließe sich heute schon in der Therapie mit DNA-Analytik verbessern! Aber will die Pharmaindustrie das wirklich?
Ich lebe heute stillvergnügt und zunehmend gesund nach all diesen Erfahrungen – kein Wunder, dass für mich die Bioanalytik eine wunderbare und wichtige Wissenschaft ist. Wir alle können möglicherweise unsere 100. Geburtstage feiern. Lasst uns nun nachdenken, wie diese Chance auch achtsam seelisch gepflückt werden kann.
Carpe diem, genieße den Tag!
Headerbild: © RenMing 2014
Erstveröffentlichung:
Renneberg, R.,
q&more,
2.2014.