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Trendbarometer: mit der Metro zum Flughafen

Ja, es ist wohl die U-Bahn in der Analytik. Viele Proben werden parallel befördert – ungestylt, auch Rohextrakte in jeglichem Zustand. Der Anschluss an den Flughafen ist gesichert und fliegen können die Moleküle heute in vielfältigster Art und Weise.

Abb. 1 Schnelle Charakterisierung zweier Proben (Bahn 1/2: nicht wirkend/wirkend) durch multiple Detektionsmöglichkeiten: Unterschiedliche Zonen a-f sind direkt erkennbar.

Eine beschleunigte Charakterisierung von Proben ist heute mit der Hochleistungs-Dünnschicht-Chromatografie (HPTLC) möglich. Neben der Kopplung mit Bioassays sind Derivatisierungsreagenzien und spektroskopische wie spektrometrische Detektionsmöglichkeiten zur Hand (Abb. 1). Ein höchst interessanter Zweig ist die wirkungsorientierte Analytik, in der man Chromatografie mit wässrigen Bioassays kombiniert und dennoch scharfe Trennzonen behält (Abb. 2). Momentan erarbeitet ein Expertenkreis gerade den planaren Yeast Estrogen Screen (pYES)-Bioassay für die direkte Anwendung in Kombina­tion mit HPTLC. Es werden estrogenartig wirkende Substanzen in komplexen Gemischen direkt erkannt.

Abb. 2 Weiße, antibiotisch wirkende Substanzzone in einem Pflanzenextrakt nach Tauchen in Bacillus subtilis-Bakterien­suspension und Tetrazoliumsalz-Substrat (Bahn 2; im Vergleich Fluoreszenzdetektion bei 366 nm auf Bahn 1).


Ist es nicht von allgemeinem Interesse zu wissen, welche alltäglichen Lebensmittel pharmakologisch aktiv sind und wie sie im Vergleich zu Arzneimitteln dastehen? Ist eine aktiv wirkende Substanz gefunden, fliegt sie direkt ins hochauflösende Massenspektrometer – ausgesucht punktuell und zielsicher nur Wirkende, also Wichtige. Sinnlose Flüge werden gestrichen.

Es ist diese effektive Strategie (Abb. 3), die erst in den letzten fünf Jahren durch kommerziell erhältliche, ambiente massenspektrometrische Verfahren wie LESA, DART, DESI und TLC-MS Interface sowie MALDI die schnelle Charakterisierung der Zone bis hin zur Summenformel ermöglicht (Abb. 4). Aber auch die direkte Aufnahme von ATR-FTIR-Spektren von Zonen über das vielseitige TLC-MS-Interface ist gezeigt worden [1]. Analog dazu wurde die Möglichkeit der NMR-Spektrenaufnahme diskutiert [2] und kürzlich gezeigt [3]. Somit sind wichtige analytische Verfahren mit der HPTLC im kleinen Maßstab verbunden. Effektive Anwendungs­beispiele werden in den nächsten Jahren dieser neuartigen Analytik-Plattform folgen.

Abb. 3 Von der bioaktiven Zone zur Struktur: Hyphenations zur wirkungsbezogenen Analytik im analytischen Maßstab.


Ein vertiefter Blick in die Forschung zeigt noch Ungeahntes: Die neue Disziplin Office Chromatography [4] vereint den Fortschritt innovativer Druck- und Medientechnologien mit miniaturisierten Trennmaterialien. Neuartige elektroversponnene [5], nanostrukturierte [6] oder monolithische Schichten [7] im Format einer Visitenkarte werden auch berücksichtigt. Die Effizienzsteigerung dieser Synergien wird in der Forschung ausgelotet. Viele parallele Probenanalysen in einer bis wenigen Minuten sind machbar, woraus sich rein rechnerisch Einzeltrennungen im unteren Sekundenbereich ergeben.

Abb. 4 Ansätze der TLC/HPTLC-MS-Kopplung (rot: kommerziell erhältliche Systeme; umrandet: Scan-Option; Rebaudiosid A-Beispiel mit elutionskopfbasiertem Ansatz).


Veranstaltungen sind immer eine ideale Gelegenheit, um herauszufinden, ob die Hochleistungs-Dünnschicht-Chromatografie eine geeignete Lösung für die eigenen analytischen Probleme oder Herausforderungen wäre. Mehr als 333 Teilnehmer aus über 40 Nationen besuchten beispielsweise das letzte HPTLC-Symposium 2011 in Basel. Die HPTLC 2014 wird vom 2. – 4. Juli 2014 in Lyon stattfinden.

Literatur:
[1] Dytkiewitz, E. & Morlock, G.E. (2008) J. AOAC Int. 91, 1237–1243
[2] Morlock, G. (2010) HPTLC-MS in Pharmaceutical Analysis and Food Analysis. Lecture, University of Applied Sciences Northwestern (FHNW), Basel, Switzerland
[3] Gössi, A. et al. (2012) Chimia 66, 347–349
[4] Morlock, G. et al. (2010) Anal. Chem. 82, 2940–2946
[5] Kampalanonwat, P. et al. (2013) J. Chromatogr. A 1299, 110–117
[6] Wannenmacher, J. et al. (2013) J. Chromatogr. A 1318, 234–243
[7] Lv, Y. et al. (2013) J. Chromatogr. A 1316, 154–159

Erstveröffentlichung: Morlock, G., q&more, 1.2014.

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    Prof. Dr. Gertrud Morlock

    Gertrud Morlock, Jahrgang 1966, studierte Ernährungswissenschaften und promovierte in Chemie unter Betreuung von Prof. Dr. Helmut Jork und Prof. Dr. Heinz Engelhardt an der Universität des Saarlandes. Sie arbeitete mehrere Jahre für weltweit führende Industrieunternehmen und kehrte 2004 in ... mehr

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    Rolf-Alexander Düring, geb. 1964, studierte Agrarwissenschaften, Fachrichtung Umweltsicherung und Entwicklung ländlicher Räume an den Universitäten in Bonn und Gießen und promovierte 1996 am Institut für Phyto­pathologie und Angewandte Zoologie, Gießen. Nach der Habilitation am Institut für ... mehr

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    Michael Bunge, geb. 1973, studierte Biologie, Fachrichtung Mikro­biologie an der Martin-Luther-Universität Halle und promovierte dort von 1999–2003 am Institut für Mikrobiologie. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der ETH Zürich und Auslandsaufenthalten in Oulu, Finnland, an der Universität I ... mehr

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