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Wertgebende Komponenten

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Schnelle und schonende Extraktion pflanzlicher Inhaltsstoffe für die Anreicherung von Pflanzenölen

Prof. Dr. Gerald Muschiolik (Friedrich-Schiller-Universität Jena)

Die Isolierung bioaktiver Pflanzeninhaltsstoffe, ätherischer Öle bzw. pflanzlicher Farb- und Aromastoffe erfordert aufwändige und kostenintensive Verfahren. Oft ist jedoch für verschiedene Anwendungen eine Isolierung der Einzelkomponenten nicht erforderlich, es genügt deren Konzentrierung. Bei aroma- und duftgebenden Inhaltsstoffen ist darüber hinaus auch von Vorteil, wenn das Profil der daran beteiligten Inhaltsstoffe möglichst nicht verändert wird. Dies gilt auch für gesundheitsfördernde und sonstige Effekte.

Abb. 1a Mögliche Ausgangsrohstoffe (Paprika, Ingwerwurzel, Kräuter, Weihrauch)

Analytische Herausforderung für die Prozesskontrolle

Nachstehendes Beispiel zeigt, dass die Konzentrierung bzw. Extraktion pflanzlicher Inhaltsstoffe wesentlich beschleunigt und vereinfacht werden kann, wenn dies mit Saatpressung zur Pflanzenölgewinnung kombiniert wird. Zur Prozessüberwachung bzw. Kontrolle des Extraktionsergebnisses vor Ort fehlen jedoch derzeit geeignete Schnellmethoden – die Ermittlung der Extraktgehalte erfordert für bestimmte Inhaltsstoffe eine aufwändige Analytik. Hier fehlen geeignete Schnellmethoden für die Prozessbegleitung.

Abb. 1b Geschälte Sonnenblumenkerne + getrocknetes Thymiankraut

Zur Isolierung bioaktiver oder sonstiger wertgebender pflanzlicher Inhaltsstoffe werden aufwändige und spezielle Verfahren angewendet, zu denen insbesondere die Extraktion mit polaren oder unpolaren Lösungs­mitteln gehört. Über nachfolgende Reinigungsschritte oder Konzentrierung können die Inhaltsstoffe standar­disiert und Qualitätsparameter eingehalten werden. Insbesondere bei isolierten Geruchs- und Geschmackskomponenten (ätherische Öle) kommt es darauf an, die Extraktion sehr sorgsam durchzuführen, um das natürliche Geruchs- und Geschmacksprofil durch äußere Einflüsse nicht zu verändern. Das gilt auch für Inhalt­-s­toffe mit besonderer biologischer Wirksamkeit. Derartige Extrakte oder ätherische Öle sind gut dosierbar, nachteilig ist jedoch deren hoher Preis und teilweise die Eingruppierung als Gefahrstoff.

Da für verschiedene Anwendungen anstelle vonhoch­konzentrierten Einzelkomponenten (z.B. gesundheits­fördernd, geruchs- und geschmacksgebend, heilungsfördernd) auch Extrakte mit einem breiteren Inhaltsstoffprofil und geringer Stoffkonzentration eingesetzt werden könnten, bieten sich zu deren ­Gewinnung weniger kostenintensive Verfahren an. Hierzu ­gehört die Extraktion der Inhaltsstoffe aus getrockneten Pflanzenteilen mittels nativer Pflanzenöle.

Abb. 2 Verfahren zur Extraktion von pflanz­lichen Inhaltsstoffen mittels SPE-Verfahren (Short-Press-Extraction)

Short-Press-Extraction (SPE-Verfahren) zur Herstellung angereicherter Pflanzenöle

In dem hier vorgestellten Verfahren erfolgt die Extraktion pflanzlicher Inhaltsstoffe durch gemeinsames Pressen schonend getrockneter und zerkleinerter Pflanzenteile mit geschälter Ölsaat in einer Schneckenpresse.
Die Pflanzenteile (z. B. Blätter, Samen, Früchte, Rinde, Wurzeln, Harze) werden mit Ölsaat (z. B. Sonnen­blumenkerne, Sesamsaat) in einem bestimmten Verhältnis gemischt (Abb. 1a u. 1b) und in der Schneckenpresse kurzzeitig einem hohen Druck ausgesetzt (Abb. 2) [1]. Dabei extrahiert das gleichzeitig abgepresste Öl – enthaltend das native und unterschiedlich polare Phospholipidspektrum – schonend die hydrophilen und hydrophoben löslichen Inhaltsstoffe der Pflanzenmaterialien. Auf diese Weise werden die Inhaltsstoffe der Pflanzenteile extrahiert und in Pflanzenöl angereichert (siehe Tab. 1). Die hierbei erhaltenen Öle werden nach dem Filtrieren in dunklen Flaschen gelagert.

Die schonende Extraktion von Pflanzeninhaltsstoffen wird insbesondere dadurch verdeutlicht, dass beim Vergleich des natürlichen Duftes von Kräutern und ­Gewürzen (z. B. Anis, Zimt, Nelken, Basilikum, Oregano, Thymian, Lavendel usw.) mit dem angereicherten Öl eine sehr gute Übereinstimmung feststellbar ist. Das gilt auch für die rote Farbe von Gemüsepaprika oder den grünen Farbton von Mikroalgen. Derartige angereicherte Öle (Ölkonzentrate) sind gut mit anderen Ölen oder flüssigen Fetten mischbar, ein sofortiger Einsatz ist ohne Beachtung der Gefahrgut-VO möglich. 

Tab. 1 Mögliche Rohstoffe für Ölkonzentrate (Auswahl)

Tab. 3 Beispiele für extrahierte Inhaltsstoffe in Ölkonzentraten und Bestimmungsmethodik 1) 3-O-Acetyl-11-Keto-ß-Boswelliasäure 2) modifizierte Methode DIN 10228:1995-12 3) IGV GmbH, Nuthetal 4) IBAS, HS Anhalt, Bernburg 5) AureliaSan GmbH, Bisingen 6) Professur für Spezielle Lebens­mittelchemie/Lebensmittelproduktion, TU Dresden 7) Institut für Ernährungswissenschaften, FSU Jena

Resümee

Mit aufwändigen Methoden (Destillation, GC/MS und HPLC/MS) konnte die Eignung des SPE-Verfahrens zur Anreicherung von Pflanzenöl mit bestimmten pflanzlichen Inhaltsstoffen nachgewiesen werden. Diese Methoden liefern exakte Werte, sind jedoch ­zeitintensiv und erfordern entsprechend höhere Investi­tionen. Derzeit fehlen geeignete Schnellmethoden (z.B. NIR), mit denen auf Basis eindeutiger Messgrößen die Ölsaat/Pflanzenmaterial-Verhältnisse sowie das SPE-Verfahren vor Ort weiter optimiert werden können. Hieraus leiten sich interessante Aufgabenstellungen ab, die eine interdisziplinäre Problemlösung herausfordern.  

Mein herzlicher Dank gilt den Koautoren:
PD Dr. habil. Volker Böhm, Institut für Ernährungswissenschaften, FSU Jena | Apotheker
Johannes Ertelt, AureliaSan GmbH, Bisingen | Dipl.-Ing. Engelbert Grzeschik, EG Ölmühle & Naturprodukte GmbH, Kroppenstedt | Prof. Dr. Ingo Schellenberg, IBAS, HS Anhalt, Bernburg | Prof. Dr. Karl Speer, Spezielle Lebensmittelchemie, TU Dresden
 

Literatur:
[1] Junghanns W., Grzeschik E. u. Piela R., Verfahren zur Herstellung angereicherter, pflanzlicher Speiseöle. DE 101 01 638 C2, 2001.
[2] Wolff A-Chr. u. Schellenberg I., Entwicklung und Optimierung von neuen natürlichen Aromen. Forschungsbericht BMBF 2006; InnoRegio InnoPlanta FKZ 03i0636C.

Erstveröffentlichung: Muschiolik, G., q&more, 2.2014.

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