05.08.2015 - Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB)

Nanopartikel in Sonnenschutzmitteln nachweisen

Viele Kosmetika wie Sonnencremes enthalten Titandioxid. Die Nanopartikel sind umstritten. Experten vermuten schädliche Wirkungen für Mensch und Umwelt. Die Teilchen lassen sich in den Cremes schwer nachweisen. Mit einer Messmethode von Fraunhofer-Forschern lassen sich die Partikel exakt bestimmen.

Immer mehr Konsumgüter enthalten Nanopartikel. Besonders sensibel ist der Einsatz der winzigen Teilchen in Kosmetika, da der Verbraucher direkt mit den Produkten in Berührung kommt. In Sonnenschutzcremes etwa finden sich Nano-Titandioxidpartikel. Sie dienen als UV-Schutz: Wie ein Film aus unzähligen Spiegeln legen sie sich auf die Haut und reflektieren die UV-Strahlen. Aber die winzigen Partikel sind umstritten. Sie können in die Haut eindringen, wenn diese verletzt ist und entzündliche Reaktionen auslösen. Problematisch ist der Einsatz in Sonnensprays. Wissenschaftler befürchten, dass die Partikel beim Einatmen die Lunge schädigen könnten. Auch die Wirkung auf die Umwelt ist noch nicht ausreichend erforscht. Untersuchungen legen nahe, dass durch Sonnencremes in Badeseen gelangtes Titandioxid das ökologische Gleichgewicht gefährden kann. Seit Juli 2013 gilt daher laut einer EU-Verordnung für Kosmetika und Körperpflegeprodukte die Kennzeichnungspflicht. Wenn im Produkt Inhaltsstoffe in Nanogröße eingesetzt werden, müssen Hersteller dies mit dem Zusatz »Nano« kenntlich machen.

Partikelgröße bis in den kleinsten Bereiche bestimmen

Die aktuellen bildgebenden elektronenmikroskopischen Verfahren wie die Transmissions- oder Rasterelektronenmikroskopie basieren auf der Lichtstreuung. Mit ihnen werden alle vorhandenen Partikel detektiert. Zwischen einem Fussel, einer Zelle oder einem Nanoteilchen unterscheiden sie nicht. Mit diesen Methoden lassen sich vor allem Oberflächeneigenschaften und Formen untersuchen.

»Die Lichtstreuverfahren und die Mikroskopie sind für viele, unter anderem toxikologische Untersuchungen nicht selektiv genug«, sagt Gabriele Beck-Schwadorf, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Die Gruppenleiterin und ihr Team haben eine bestehende Messmethode weiterentwickelt und verfeinert, sodass sich Titandioxid-Nanoteilchen in komplexen Medien, die aus vielen Komponenten bestehen, hochsensitiv und empfindlich bestimmen lassen. Per Massenspektroskopie messen die Forscher einzelne Partikel mit induktiv gekoppeltem Plasma ( SP-ICP-MS). »Mit dieser Methode bestimme ich Massen. Titan hat die Atommasse 48 amu. Stelle ich das Spektrometer darauf ein, so kann ich gezielt Titan messen«, erklärt Katrin Sommer, Lebensmittelchemikerin am IGB.

Bei der Partikelmessung wird eine Suspension ins Plasma versprüht, die sowohl große als auch kleine Teilchen mit inhomogener Verteilung enthält. Die Suspension muss stark verdünnt werden, sodass möglichst ein Titandioxid-Partikel nach dem anderen detektiert wird und analysiert werden kann. Im etwa 7000 Kelvin heißen Plasma werden aus den Partikeln Ionen gebildet, die als Ionenwolke zum Detektor des Spektrometers gelangen und innerhalb einer kurzen Messzeit von etwa drei Millisekunden gezählt werden. Die Signalintensität korreliert mit der Partikelgröße. »Die Intensität rechnen wir in Nanometer um. Zeitgleich zählen wir die Partikelsignale, woraus wir die Partikelkonzentration bis auf 10 Prozent genau berechnen. Wir können exakt feststellen, wieviele Partikel eine bestimmte Größe haben«, erläutert Sommer die Vorgehensweise.

Das Team vom IGB führte die Datenanalyse und die Datenverarbeitung ohne spezielle Software durch. »Wir haben die Rohdaten mit einem Standard-Rechenprogramm statistisch ausgewertet und können so herstellerunabhängig arbeiten. Im Vergleich zu bestehenden Methoden handelt es sich bei SP-ICP-MS um ein schnelles Verfahren, mit Bestimmungsgrenzen bis in den Ultraspurenbereich unter einem ppm.« Beispielsweise lässt sich eine Probe von wenigen Millilitern in etwa sechs Minuten untersuchen.

Mehr über Fraunhofer-Institut IGB

  • News

    Kohlenstoffdioxid als Rohstoff für Kunststoffe und Co.

    Kohlenstoffdioxid ist einer der Haupttreiber des Klimawandels – die Emissionen müssen daher künftig sinken. Einen möglichen Weg zur Kohlendioxid-Reduktion zeigen Fraunhofer-Forschende auf: Sie nutzen das Klimagas als Rohstoff, etwa für Kunststoffe. Dazu stellen sie aus Kohlendioxid zunächst ... mehr

    Eine echte Alternative zum Erdöl

    Ein Forschungsteam der Fraunhofer-Gesellschaft und der Technischen Universität München (TUM) unter Leitung des Chemikers Volker Sieber hat eine neue Polyamid-Familie entwickelt, die sich aus einem Nebenprodukt der Zelluloseproduktion herstellen lässt – ein gelungenes Beispiel für nachhaltig ... mehr

    Impfstoffe chemikalienfrei produzieren

    Impfstoffe herzustellen ist ein schwieriges Unterfangen: Bei den Tot-Impfstoffen müssen die Krankheitserreger abgetötet werden, ohne deren Struktur zu verändern. Bislang geschieht dies meist mit giftigen Chemikalien. Eine neuartige Technologie von Fraunhofer-Forschern nutzt stattdessen Elek ... mehr

  • q&more Artikel

    3D-Gewebemodelle mit Immunkompetenz

    Die angeborene Immunität ist ein zentraler Bestandteil der menschlichen Immunabwehr. Mustererkennungsrezeptoren (Pattern Recognition Receptors, PRR), wie die Toll-like-Rezeptoren (TLR) spielen in diesem System eine Schlüsselrolle. mehr

  • Autoren

    Dr. Anke Burger-Kentischer

    Anke Burger-Kentischer promovierte an der Universität Tübingen über „Zelluläre und molekulare Mechanismen der strahleninduzierten Lungenfibrose“. Während ihres Postdoc-Aufenthaltes am Institut für Physiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigte sie sich mit dem zellspezi ... mehr

    Dr. Kai Sohn

    Kai Sohn, Jahrgang 1968, studierte Biologie an der Universität Heidelberg und schloss sein Studium als Diplombiologe ab. Er promovierte 1997 am Biochemiezentrum der Universität Heidelberg. Ab 1998 arbeitete Dr. Sohn an der Universität Stuttgart als Postdoc im Bereich medizinisch relevanter ... mehr

    Prof. Dr. Steffen Rupp

    Steffen Rupp, geboren 1962, studierte Chemie an den Universitäten Stuttgart, Freiburg und Cincinnati, OH, USA. Er promovierte 1994 am Institut für Biochemie der Universität Stuttgart mit Auszeichnung. Von 1995-1998 arbeitete er im Rahmen seines DFG-Forschungsstipendiums am Whitehead Institu ... mehr

q&more – die Networking-Plattform für exzellente Qualität in Labor und Prozess

q&more verfolgt den Anspruch, aktuelle Forschung und innovative Lösungen sichtbar zu machen und den Wissensaustausch zu unterstützen. Im Fokus des breiten Themenspektrums stehen höchste Qualitätsansprüche in einem hochinnovativen Branchenumfeld. Als moderne Wissensplattform bietet q&more den Akteuren im Markt einzigartige Networking-Möglichkeiten. International renommierte Autoren repräsentieren den aktuellen Wissenstand. Die Originalbeiträge werden attraktiv in einem anspruchsvollen Umfeld präsentiert und deutsch und englisch publiziert. Die Inhalte zeigen neue Konzepte und unkonventionelle Lösungsansätze auf.

> mehr zu q&more

q&more wird unterstützt von: