25.09.2014 - Justus-Liebig-Universität Gießen

Kohlensäure – und es gibt sie doch!

Präparation und Charakterisierung gasförmiger Kohlensäure und ihres Methylesters

Bis vor gar nicht allzu langer Zeit waren Wissenschaftler überzeugt, dass es Kohlensäure (H2CO3) als stabiles Molekül nicht gibt. Deutsche Wissenschaftler stellen in der Zeitschrift Angewandte Chemie jetzt eine einfach pyrolytische Methode zur Herstellung gasförmiger Kohlensäure vor, die eine spektroskopische Charakterisierung gasförmiger Kohlensäure sowie ihres Methylesters ermöglicht.

Kohlensäure ist ein wichtiges physiologisches Molekül, das z.B. hilft, den pH-Wert unseres Blutes konstant zu halten, und eine wichtige Zwischenstufe bei der Bildung des ausgeatmeten Kohlendioxids darstellt. Auch bei Techniken zur Deponierung von CO2 kommt ihr vermutlich eine essenzielle Rolle zu. Vieles spricht zudem dafür, dass feste Kohlensäure in extraterrestrischem Eis und in interstellaren Regionen vorkommt, beispielsweise auf der Oberfläche des Mars.

Das Team um Peter R. Schreiner von der Universität Gießen hat jetzt eine neuartige, breit anwendbare Methode zur Herstellung gasförmiger Kohlensäure entwickelt. Sie basiert auf der Pyrolyse einer leicht zugänglichen Vorläuferverbindung (Di-tert-butyldicarbonat) in der Gasphase. Die entstehende Kohlensäure wird in einer extrem kalten Edelgasmatrix abgefangen. Ausgehend von einer weiteren Vorläuferverbindung konnten die Forscher mit der neuen Pyrolysemethode außerdem erstmals gasförmigen Kohlensäuremethylester gewinnen. Gefangen in der kalten Matrix konnten die Kohlensäure und der Kohlensäuremethylester eingehenden infrarotspektroskopischen Studien unterzogen werden. Ein Vergleich der Daten mit theoretisch ermittelten Werten zeigte eine ausgezeichnete Übereinstimmung.

Die Forschungsergebnisse bringen neue Erkenntnisse in einer weiteren Streitfrage zum Thema Kohlensäure: Gibt es wirklich, wie vor einiger Zeit von mehreren Forscherteams vermutet, zwei verschiedene (Kristall-)Formen der Kohlensäure, die als alpha- und beta-Form bezeichnet wurden? Schreiner und seine Mitarbeiter verneinen dies. Ihre spektralen Daten passen zwar perfekt zur Dampfphase über der so genannten beta-Form, nicht aber zur Dampfphase des als alpha-Form der Kohlensäure interpretierten Festkörpers. Dagegen passen die Spektren des Kohlensäuremethylesters ganz wunderbar zu dieser vermeintlichen alpha-Kohlensäure. Schreiner: „Offenbar handelt es sich bei der bisher als Kohlensäure-alpha-Form interpretierten Verbindung in Wahrheit um Kohlensäuremethylester.“ Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit dem Herstellverfahren für die „alpha-Form“, das in Methanol als Lösungsmittel unter sauren Bedingungen stattfindet, die für eine Veresterungsreaktion zwischen Kohlensäure und Methanol vorteilhaft sind.

„Unsere Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Gasphasen-Chemie der Kohlensäure“, so Schreiner. „Sie werden zukünftig bei der Identifizierung der Kohlensäure in der Umwelt, der Atmosphäre und bei astrophysikalischen Forschungen maßgeblich helfen.“

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