01.04.2022 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)

Stabil, effizient, umweltschonend: Forschende entwickeln vielversprechenden Wärmespeicher

Ein neues Material zur Wärmespeicherung könnte dabei helfen, Häuser energetisch deutlich zu verbessern. Entwickelt wurde es von Forschenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Leipzig. Mit ihm lässt sich überschüssige Wärme speichern und bei Bedarf wieder an die Umgebung abgeben. Im Gegensatz zu bereits bekannten Stoffen kann das neue Material deutlich mehr Wärme aufnehmen, ist stabiler und es besteht aus unbedenklichen Substanzen. In einer neuen Studie im "Journal of Energy Storage" beschreibt das Team den Bildungsmechanismus dieses Materials.

Bei der Erfindung handelt es sich um einen sogenannten Latentwärmespeicher. Dieser kann durch einen Wechsel des Aggregatzustands von fest zu flüssig sehr viel Wärme aufnehmen. Erhärtet das Material, wird dabei die gespeicherte Wärme wieder abgegeben. "Das Prinzip kennen viele von Handwärmekissen", sagt Prof. Dr.-Ing. Thomas Hahn vom Institut für Chemie der MLU. Die Erfindung aus Halle soll aber nicht in Manteltaschen zum Einsatz kommen, sondern zum Beispiel in der Bauindustrie. Dort könnte sie in Form großer Platten in Wände integriert werden, die so während der Sonnenstunden am Tag Wärme aufnehmen und später bei niedrigeren Temperaturen wieder abgeben können. So ließe sich viel Energie sparen: Das neue Material speichert den Berechnungen der Forschenden zufolge bei einer Aufheizung von zehn Grad Celsius des Materials bis zu 24 Mal mehr Wärme als herkömmlicher Beton oder Gips.

Anders als bei Handkissen schmelzen die Platten aus dem Stoffgemisch jedoch nicht, wenn sie Wärme aufnehmen. "Der eigentlich flüssige Wärmespeicher ist in unserer Entwicklung in einem Gerüst aus festem Silikat eingeschlossen und kann durch hohe Kapillarkräfte nicht austreten", erklärt Hahn. Für die Herstellung kommen vor allem umweltverträgliche Stoffe zum Einsatz: ungefährliche Fettsäuren, wie sie in Seifen und Cremes vorkommen. Die verwendeten Zusätze, die dem Material seine Festigkeit und erhöhte Wärmeleitfähigkeit verleihen, können aus Reishülsen gewonnen werden.

In der aktuellen Studie beschreibt das Team Schritt für Schritt, wie sich die Struktur des Materials bildet und wie sich die genutzten Chemikalien gegenseitig beeinflussen. Unterstützung erhielt das Team hierbei von den Forschenden um Prof. Dr. Kirsten Bacia von der MLU, die den Mechanismus mittels Fluoreszenzmikroskopie sichtbar gemacht haben. "Das Wissen darüber ist für die weitere Optimierung und auch für eine mögliche Produktion im industriellen Maßstab wichtig", sagt Felix Marske, der die Entwicklung im Rahmen seiner Promotion bei Thomas Hahn vorantrieb. Noch findet die Produktion nämlich in kleinen Mengen im Labor statt. Das neue Material könnte künftig aber in Kombination mit weiteren Schritten dabei helfen, Gebäude energetisch deutlich effizienter zu gestalten oder auch Photovoltaik- und Batteriesysteme passiv zu kühlen, um deren Wirkungsgrade weiter zu erhöhen.

Das Herstellungsverfahren wurde bereits zum Patent angemeldet. Die Arbeit der Forschenden wurde zudem mehrfach ausgezeichnet: 2019 erhielt das Team den Hugo-Junkers-Preis des Landes Sachsen-Anhalt, 2020 den "Clusterpreis Automotive" des IQ Innovationspreises Mitteldeutschland.

Fakten, Hintergründe, Dossiers

Mehr über MLU

  • News

    Grüne Chemie: Neues Verfahren für umweltfreundlichere Flüssigkristalle

    Flüssigkristalle könnten sich künftig effizienter und umweltfreundlicher herstellen lassen. Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Bangalore University in Indien und der Cairo University in Ägypten haben hierfür ein neues Verfahren entwickelt. Im Vergleich zu kon ... mehr

    Turbo für Materialforschung

    Ein neuer Algorithmus soll dabei helfen, bislang unbekannte Materialverbindungen auszumachen. Entwickelt wurde er von einem Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Lund in Schweden. Die Forschenden konzipierten e ... mehr

    Fortschritt für CRISPR/Cas: Forscher schalten viele Pflanzen-Gene auf einmal aus

    Viele Mutationen auf einen Streich: Mit Hilfe einer verbesserten Variante der Gen-Schere CRISPR/Cas9 lassen sich bis zu zwölf Gene in Pflanzen auf einmal ausschalten. Bislang war das nur für einzelne Gene oder kleine Gruppen möglich. Entwickelt wurde der Ansatz von Forschenden der Martin-Lu ... mehr

Mehr über Uni Leipzig

  • News

    Zwei Milliarden Jahre altes Enzym rekonstruiert

    Grundlagenforscher:innen der Universität Leipzig haben ein Rätsel in der Evolution von bakteriellen Enzymen gelöst. Durch die Rekonstruktion eines Kandidaten für eine spezielle RNA-Polymerase, wie sie vor etwa zwei Milliarden Jahren existierte, konnten sie eine bislang rätselhafte Eigenscha ... mehr

    Neu entdecktes Enzym zersetzt PET-Kunststoff in Rekordzeit

    Plastikflaschen, Obstschalen, Folien: Diese leichten Verpackungen aus PET-Kunststoff werden zum Problem, wenn sie nicht recycelt werden. Wissenschaftler:innen von der Universität Leipzig haben nun ein hocheffizientes Enzym entdeckt, das PET in Rekordzeit abbaut. Mit dem Enzym PHL7, das die ... mehr

    Stoffwechsel von Krebszellen kontrollieren

    Krebszellen wachsen schneller als normale Zellen und weisen dadurch einen veränderten Stoffwechsel auf. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig haben nun herausgefunden, dass Krebszellen den Succinat-Rezeptor benötigen, um den Umsatz ihres Stoffwechsels zu kontrol ... mehr

  • q&more Artikel

    Zellkultur in der dritten Dimension

    Aussagen zur toxikologischen Wirkung von Chemikalien und pharmazeutischen Erzeugnissen müssen vor Markteinführung erfasst werden. Dabei spielten bis heute Tierversuche eine wichtige Rolle, diese gilt es jedoch zu vermeiden und die Tests stattdessen in organoiden Zellkultursystemen mit hoher ... mehr

  • Autoren

    Dr. Peggy Stock

    Peggy Stock, Jahrgang 1976, studierte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Biologie und promovierte im Jahr 2005. Seit ihrer Rückkehr von einem Forschungsaufenthalt an der University of Pittsburgh (USA) arbeitet sie in der Arbeitsgruppe Angewandte Molekulare Hepatologie um Prof ... mehr

    Dr. Katja Schellenberg

    Jg. 1984, absolvierte ihren Bachelor of Science in Molekularer Biotechnologie an der Technischen Univer­sität Dresden, bevor sie 2009 im internationalen Studiengang „Molecular Medicine“ der Charité Berlin mit dem Master of Science graduierte. Gefördert durch ein Charité-Stipendium erfolgte ... mehr

q&more – die Networking-Plattform für exzellente Qualität in Labor und Prozess

q&more verfolgt den Anspruch, aktuelle Forschung und innovative Lösungen sichtbar zu machen und den Wissensaustausch zu unterstützen. Im Fokus des breiten Themenspektrums stehen höchste Qualitätsansprüche in einem hochinnovativen Branchenumfeld. Als moderne Wissensplattform bietet q&more den Akteuren im Markt einzigartige Networking-Möglichkeiten. International renommierte Autoren repräsentieren den aktuellen Wissenstand. Die Originalbeiträge werden attraktiv in einem anspruchsvollen Umfeld präsentiert und deutsch und englisch publiziert. Die Inhalte zeigen neue Konzepte und unkonventionelle Lösungsansätze auf.

> mehr zu q&more

q&more wird unterstützt von: