24.03.2022 - Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Wie Zucker Entzündungen fördert

Hoher Zuckerkonsum kann entzündliche Prozesse im Körper begünstigen und dadurch die Entstehung von Autoimmunkrankheiten fördern

Wer über einen langen Zeitraum im Übermaß Zucker und andere Kohlenhydrate zu sich nimmt, trägt ein erhöhtes Risiko, eine Autoimmunkrankheit zu entwickeln. Bei den Betroffenen greift das Immunsystem das körpereigene Gewebe oder ein Organ an; die Folge sind beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Typ-1-Diabetes sowie die chronische Entzündung der Schilddrüse.

Neue Angriffspunkte für eine Therapie

Die Prozesse, die in diesen Fällen auf molekularer Ebene ablaufen, sind vielschichtig und äußerst komplex. Jetzt ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gelungen, neue Details zu entschlüsseln. Ihre Arbeiten weisen darauf hin, dass ein übermäßiger Konsum von Kohlehydraten direkt die krankmachenden Funktionen bestimmter Zellen des Immunsystems begünstigt und dass, im Umkehrschluss, eine kalorienreduzierte Ernährung sich günstig auf die Immunerkrankungen auswirken kann. Gleichzeitig zeigen sie neue Angriffspunkte für eine Therapie an: Eine spezifische Blockade bestimmter Stoffwechselprozesse in diesen Immunzellen könnte die überschießende Immunreaktionen unterdrücken.

Verantwortlich für die jetzt in der Fachzeitschrift Cell Metabolism veröffentlichte Studie ist Dr. Martin Väth, Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Systemimmunologie – einer Max-Planck-Forschungsgruppe unter dem Dach der JMU, in deren Fokus das Wechselspiel des Immunsystems mit dem Organismus steht. Daran beteiligt waren Teams aus Amsterdam, Berlin, Freiburg und Leuven.

Glukosetransporter mit Nebenjob

„Immunzellen benötigen große Mengen an Zucker in Form von Glukose, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Mithilfe spezialisierter Transporter in ihrer Zellmembran können sie diese aus der Umgebung aufnehmen“, erklärt Martin Väth. Gemeinsam mit seinem Team konnte Väth jetzt zeigen, dass ein bestimmter Glukosetransporter – mit wissenschaftlichem Namen GLUT3 genannt – in T-Zellen, neben der Energiegewinnung aus Zucker weitere Funktion für den Stoffwechsel erfüllt.

In ihrer Studie haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf eine Gruppe von Zellen des Immunsystems konzentriert, die noch nicht allzu lange bekannt ist: T-Helferzellen vom Typ 17, auch Th17-Lymphozyten genannt. Von ihnen wird vermutet, dass sie eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Entzündungsvorgängen spielen.

„Diese Th17-Zellen tragen jede Menge GLUT3-Proteine auf ihrer Zelloberfläche“, erklärt Väth. Aufgenommene Glukose wandeln sie dann in den Mitochondrien zu Zitronensäure um. Diese wird anschließend im Zellplasma zu dem Acetyl-Koenzym A umgewandelt, das unter anderem als Ausgangsstoff für die Synthese von Fettstoffen benötigt wird.

Einfluss auf entzündungsfördernde Gene

Azetyl-KoA übernimmt in Th17-Zellen aber noch mehr Aufgaben. Väth und sein Team stellten fest, dass dieses Stoffwechselprodukt auch die Aktivität verschiedener Genabschnitte im Zellkern regeln kann. Auf diese Weise nimmt es dort direkten Einfluss auf die Aktivität entzündungsfördernder Gene.

Die neuen Erkenntnisse eröffnen nach Ansicht der Forschenden Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie bei Autoimmunerkrankungen. Beispielsweise könne die Blockade der GLUT3-abhängien Synthese von Acetyl-KoA durch das Nahrungsergänzungsmittel Hydroxycitrat, das zur Behandlung von Übergewicht eingesetzt wird, die krankmachenden Funktionen von Th17-Zellen verhindern und dadurch entzündlich-pathologische Prozesse im Körper reduzieren. Diese „metabolische Umprogrammierung“ von T-Zellen sei ein neuer und spezifischer Angriffspunkt für die Therapie von Autoimmunerkrankungen, ohne dabei das Immunsystem komplett „ausschalten“ zu müssen.

Fakten, Hintergründe, Dossiers

  • Zucker
  • Kohlenhydrate
  • Autoimmunerkrankungen
  • Immunsystem
  • chronisch-entzündli…
  • Morbus Crohn
  • Colitis ulcerosa
  • Diabetes
  • Ernährung
  • Immunzellen
  • Glukose
  • T-Zellen
  • Lymphozyten

Mehr über Uni Würzburg

  • News

    Genaktivität im Reagenzglas

    Bei der Suche nach den Ursachen von Krankheiten und der Entwicklung neuer Therapien ist ein exaktes Verständnis der genetischen Grundlagen von zentraler Bedeutung. Würzburger Forscher haben dafür ein neues Verfahren entwickelt. Krankhafte Prozesse zeichnen sich in der Regel durch eine verän ... mehr

    Künstliches Enzym spaltet Wasser

    Ein Team aus der Chemie präsentiert einen enzymähnlichen molekularen Katalysator für die Wasseroxidation. Die Menschheit steht vor einer zentralen Herausforderung: Sie muss den Übergang zu einer nachhaltigen und kohlendioxidneutralen Energiewirtschaft bewältigen. Wasserstoff gilt als vielve ... mehr

    Neue Akteure der Immunantwort

    Lymphknoten lösen sehr unterschiedliche Immunantworten aus – je nachdem, mit welchem Körpergewebe sie in Verbindung stehen. Verantwortlich für diesen Zusammenhang sind spezielle T-Zellen. Der menschliche Körper enthält 600 bis 800 Lymphknoten. Sie sind darauf spezialisiert, Immunantworten a ... mehr

  • q&more Artikel

    Multinationale Medikamente

    Während in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts 80 % aller Wirkstoffe und Hilfsstoffe in Europa bzw. in den USA produziert wurden, werden heute nahezu alle Ausgangsstoffe zur Herstellung von Arzneimittel in China und Indien hergestellt. Dies gilt nicht nur für die einzelnen Stoffe, sond ... mehr

    Hightech im Bienenvolk

    Vitale Bienenvölker sind von höchster Relevanz für die Aufrechterhaltung der natürlichen Diversität von Blütenpflanzen und die globale pflanzliche Nahrungsmittelproduktion, die zu 35 % von Insektenbestäubern abhängt, unter denen die Honigbiene (Apis mellifera) die überragende Rolle spielt. ... mehr

  • Autoren

    Prof. Dr. Jürgen Tautz

    Jg. 1949, studierte Biologie, Geographie und Physik an der Universität Konstanz und promovierte dort über ein sinnesökologisches Thema. Nach Arbeiten zur Bioakustik von Insekten, Fischen und Fröschen gründete er 1994 die BEEgroup an der Universität Würzburg, die sich mit Grundlagenforschung ... mehr

    Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe

    Ulrike Holzgrabe (Jg. 1956) studierte Chemie und Pharmazie in Marburg und Kiel. Nach Approbation und Promotion folgte die Habilitation für Pharmazeutische Chemie 1989 ­in Kiel. Sie hatte eine Professur in Bonn (1990-1999), lehnte C4-Rufe nach Tübingen und Münster ab und folgte dem Ruf nach ... mehr

  • Videos

    Hightech im Bienenvolk

    mehr

q&more – die Networking-Plattform für exzellente Qualität in Labor und Prozess

q&more verfolgt den Anspruch, aktuelle Forschung und innovative Lösungen sichtbar zu machen und den Wissensaustausch zu unterstützen. Im Fokus des breiten Themenspektrums stehen höchste Qualitätsansprüche in einem hochinnovativen Branchenumfeld. Als moderne Wissensplattform bietet q&more den Akteuren im Markt einzigartige Networking-Möglichkeiten. International renommierte Autoren repräsentieren den aktuellen Wissenstand. Die Originalbeiträge werden attraktiv in einem anspruchsvollen Umfeld präsentiert und deutsch und englisch publiziert. Die Inhalte zeigen neue Konzepte und unkonventionelle Lösungsansätze auf.

> mehr zu q&more

q&more wird unterstützt von: