23.02.2022 - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

3D-Gewebestrukturen auf Chip fungieren als Organe im Miniaturformat

Neues Organ-on-Chip-System ermöglicht präzise Stoffwechsel-Überwachung von 3D-Tumorgewebe außerhalb des Körpers

Ein Forschungsteam um Dr. Andreas Weltin, Dr. Jochen Kieninger und Johannes Dornhof vom Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) an der Universität Freiburg hat ein System entwickelt, das es unter anderem ermöglicht, die Entwicklung von Tumorzellen außerhalb des menschlichen Körpers im dreidimensionalen Verbund zu untersuchen. „Wir haben ein Organ-on-Chip-System realisiert, das via Mikrosensoren die Kulturbedingungen und Stoffwechselraten der Zellen jederzeit messen und steuern kann. In 3D-Zellkulturen war das bisher nur unzureichend möglich“, sagt Weltin. Das System entstand in Zusammenarbeit mit der Molekularen Gynäkologie in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsklinikum RWTH Aachen. In Zukunft könnten patienteneigene Zellen in Organ-on-Chip-Systemen eine personalisierte Krebstherapie ermöglichen. Die Arbeit der Wissenschaftler*innen wurde im Fachjournal „Lab on a Chip“ veröffentlicht.

Integrierte Sensoren messen Zellstoffwechsel

Bei Organ-on-Chip-Systemen werden dreidimensionale Gewebemodelle durch einen künstlichen Kreislauf so miteinander verbunden, dass sie auf einem Mikrochip agieren wie Organe im Miniaturformat. So können physiologische Prozesse – beispielsweise das Heranwachsen eines Tumors – außerhalb des menschlichen Körpers nachgebildet und beobachtet werden. Die Forschungsgruppe entwarf ein Chipdesign mit integrierter Mikrosensorik und Mikrofluidik, welches die Metaboliten der Zellen direkt vor Ort messen kann. In ihrem System ließen die Wissenschaftler*innen Brustkrebs-Minitumore aus einzelnen Stammzellen heranwachsen und überwachten mithilfe der elektrochemischen Sensoren den Sauerstoff- und Glucoseverbrauch sowie die Lactatproduktion der Zellen über eine Woche hinweg.

„Unsere Plattform ermöglicht die dynamische 3D-Kultur von Tumororganoiden, während bislang oft statische 2D-Kulturen verwendet werden, welche die komplexe Mikroumgebung eines Tumors nur begrenzt abbilden können“, so Erstautor und Doktorand Johannes Dornhof. Darüber hinaus kann mithilfe des Chip-Systems auch die Wirkung von Medikamenten auf den Zellstoffwechsel überprüft werden – beispielsweise konnte die zelluläre Wirkung von Chemotherapeutika im Rahmen der Krebsforschung quantitativ und in Echtzeit erfasst werden.

Patienteneigene Zellen könnten personalisierte Therapie ermöglichen

Die Verwendung patienteneigener Stammzellen ermöglicht dabei eine Nachbildung eines Originaltumors außerhalb des Körpers. Dies könnte neue Chancen einer personalisierten Therapie bieten, beispielsweise mit Blick auf eine mögliche Resistenz gegen bestimmte Chemotherapeutika, die bei aggressivem triple negativem Brustkrebs entscheidend ist. In Zukunft soll es möglich sein, Medikamente für einen Patienten zunächst in Organ-on-a-Chip-Systemen auf Effektivität und Nebenwirkungen zu testen.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen das Potential der Integration von Mikrosensorik in Organ-on-Chip-Systeme in der Krebsforschung und Wirkstoffentwicklung – vor allem mit Hinblick auf eine personalisierte Medizin“, sagt Weltin. Und Dr. Jochen Kieninger erläutert: „Diese Arbeit zeigt schön, wie wichtig interdisziplinäre Forschung ist. Verschiedene ingenieurwissenschaftliche Gebiete mit Biologie und Medizin zusammenzubringen, war wesentlich für den Erfolg.“

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