10.05.2021 - Justus-Liebig-Universität Gießen

Nur wenige Atome dick: Neue funktionelle Materialien entwickelt

Mit dem kleinsten „Baukasten“ der Welt designt ein Forscherteam neuartige Materialien für Computerchips, Leuchtdioden und Solarzellen

Sie sind 50.000-mal dünner als ein menschliches Haar und nur wenige Atome dick: Zweidimensionale Materialien sind die dünnsten heute herstellbaren Stoffe. Sie besitzen völlig neue Eigenschaften und gelten als der nächste große Schritt in der modernen Halbleitertechnologie. Künftig könnten sie statt Silizium in Computerchips, Leuchtdioden und Solarzellen eingesetzt werden. Bislang war die Entwicklung neuer zweidimensionaler Materialien auf solche mit Schichten starrer chemischer Bindungen in zwei Raumrichtungen beschränkt – ähnlich einem Blatt Papier in einem Stapel. Nun ist es erstmals einem Forscherteam der Universitäten Marburg, Gießen und Paderborn um Dr. Johanna Heine (Anorganische Chemie, Philipps-Universität Marburg) gelungen, diese Beschränkung mit einem innovativen Konzept aufzuheben. Die Forscher entwickelten einen organisch-anorganischen Mischkristall, der aus Ketten entlang einer Raumrichtung besteht, aber trotzdem zweidimensionale Schichten bildet. Dadurch können verschiedene Materialbestandteile wie in einem Baukasten gezielt miteinander kombiniert werden, um neuartige Materialeigenschaften zu erreichen.

In dem Projekt verbindet das Forscherteam die Vorteile von zweidimensionalen Materialien und hybriden Perowskiten – das namensgebende Mineral Perowskit ist für seine optoelektrischen Eigenschaften bekannt und kann zur Verbesserung dieser Eigenschaften mit anderen Stoffen kombiniert werden. „Das Besondere daran sind die ganz neuen Möglichkeiten zum gezielten Design zukünftiger funktioneller Materialien“, erklärt Dr. Johanna Heine, Chemikerin und Nachwuchsgruppenleiterin an der Universität Marburg, das hochaktuelle Forschungsgebiet mit großem Anwendungspotenzial. „Der hier erstmals entdeckte physikalische Effekt könnte das einfache und gezielte Einstellen der Farbe zukünftiger Beleuchtungs- und Displaytechnologien ermöglichen“, so der Physiker Philip Klement, Erstautor und Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sangam Chatterjee an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU).

Die Arbeit erfolgte in einer interdisziplinären Kooperation: Das Team um Dr. Johanna Heine an der Universität Marburg entwickelte zunächst die chemische Synthese und stellte das Material als einkristallinen Volumenkristall her. Philip Klement und das Team um Prof. Chatterjee stellten anschließend an der JLU aus diesen Kristallen einzelne atomar dünne Schichten her und untersuchten diese mit den Mitteln der optischen Laserspektroskopie. Dabei fanden sie eine spektrale breite („weiße“) Lichtemission, deren Farbtemperatur über die Schichtdicke geändert werden kann. In enger Zusammenarbeit mit dem Team theoretischer Physikerinnen und Physiker um Prof. Stefan Schumacher an der Universität Paderborn gelangen das mikroskopische Verständnis des Effekts und die Verbesserung der Materialeigenschaften.

Den Forschern ist es somit gelungen, den gesamten Bogen von der Synthese des Materials, über das Verständnis der Materialeigenschaften bis hin zur Modellierung der Materialeigenschaften zu spannen.

Fakten, Hintergründe, Dossiers

Mehr über Justus-Liebig-Universität Gießen

  • News

    Spinnengift für Therapeutika und Bioinsektizide

    Bis zu 3000 Komponenten kann das Gift einer einzigen Spinne enthalten. Aus den Bestandteilen, meist Peptiden, lassen sich vielversprechende Wirkstoffkandidaten für die Behandlung von Krankheiten entwickeln. Auch in der Schädlingsbekämpfung kann Spinnengift eingesetzt werden – als biologisch ... mehr

    „Molekularer Schraubstock“ ermöglicht neue chemische Reaktionen

    Externe mechanische Einwirkung kann chemische Reaktionen maßgeblich beeinflussen und sogar neue Transformationen jenseits etablierter Ansätze ermöglichen. Zu den Strategien, Reaktionen so zu steuern, gehören bisher vor allem eindimensionale Polymere, die man mechanischem „Stress“ z. B. durc ... mehr

    Innovative Methode zur umweltfreundlichen Bekämpfung von Getreidepilzen und Schadinsekten

    Pathogene Pilze der Gattung Fusarium sind ursächlich für eine Vielzahl schwerwiegender Pflanzenkrankheiten im Getreideanbau, die zumeist unter dem Begriff „Ährenfusariosen“ zusammengefasst werden und weltweit für immense Ernteverluste und Lebensmittelvergiftungen sorgen. Der Einsatz konvent ... mehr

  • q&more Artikel

    Wie lassen sich unbekannte Wirksubstanzen analysieren?

    Mehr denn je sind Verbraucher über die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln besorgt. So ist beispielsweise bei Pflanzenextrakten, die in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden, Betrug weit verbreitet. mehr

    Von Insekten lernen

    Was Biodiversität betrifft, gelten Insekten mit über einer Million beschriebener Arten als die erfolgreichste Organismengruppe. Sie haben im Laufe ihrer Evolution ein riesiges Arsenal von Wirkstoffen und Enzymen entwickelt, mit denen sie sich gegen Krankheiten und Feinde verteidigen oder ih ... mehr

    Trendbarometer: mit der Metro zum Flughafen

    Ja, es ist wohl die U-Bahn in der Analytik. Viele Proben werden parallel befördert – ungestylt, auch Rohextrakte in jeglichem Zustand. Der Anschluss an den Flughafen ist gesichert und fliegen können die Moleküle heute in vielfältigster Art und Weise. mehr

  • Autoren

    Prof. Dr. Gertrud Morlock

    Gertrud Morlock, Jahrgang 1966, studierte Ernährungswissenschaften und promovierte in Chemie unter Betreuung von Prof. Dr. Helmut Jork und Prof. Dr. Heinz Engelhardt an der Universität des Saarlandes. Sie arbeitete mehrere Jahre für weltweit führende Industrieunternehmen und kehrte 2004 in ... mehr

    Dr. Rolf-Alexander Düring

    Rolf-Alexander Düring, geb. 1964, studierte Agrarwissenschaften, Fachrichtung Umweltsicherung und Entwicklung ländlicher Räume an den Universitäten in Bonn und Gießen und promovierte 1996 am Institut für Phyto­pathologie und Angewandte Zoologie, Gießen. Nach der Habilitation am Institut für ... mehr

    Dr. Michael Bunge

    Michael Bunge, geb. 1973, studierte Biologie, Fachrichtung Mikro­biologie an der Martin-Luther-Universität Halle und promovierte dort von 1999–2003 am Institut für Mikrobiologie. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der ETH Zürich und Auslandsaufenthalten in Oulu, Finnland, an der Universität I ... mehr

Mehr über Uni Paderborn

  • News

    Computer aus Erbgut?

    Winziger als ein AIDS-Virus – das ist der Umfang des derzeit kleinsten Transistors. Bis auf 14 Nanometer hat die Industrie die zentralen Elemente ihrer Computerchips in den letzten 60 Jahren schrumpfen lassen. Doch die konventionellen Methoden stoßen an physikalische Grenzen. Weltweit suche ... mehr

    Neue Messmethode für die Anziehungskraft von Wasserstoffbrückenbindungen

    Mithilfe aufwändiger Computersimulationen haben Chemiker der Universität Paderborn eine neue Methode zur experimentellen Bestimmung der Bindungsstärke von Wasserstoffbrücken entwickelt. Wasserstoffbrücken sind für die speziellen Eigenschaften vieler für Lebewesen wichtiger Biomoleküle wie ... mehr

Mehr über Universität Marburg

  • News

    Anti-Tumormittel aus dem Darm

    Es soll an der Entstehung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen beteiligt sein, Diabetes auslösen, für Übergewicht sorgen, sogar neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Parkinson könnten hier ihre Ursachen haben – ganz zu schweigen von Depressionen und autistischen Störungen ... mehr

    Neuer SARS-CoV-2 neutralisierender Antikörper wird klinisch geprüft

    Die Uniklinik Köln, die Philipps-Universität Marburg, das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung und Boehringer Ingelheim haben den Start einer klinischen Phase-1/2a-Studie zu BI 767551 bekanntgegeben, einem neuen SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörper. Durch die Kombination großer virol ... mehr

    Neue Molekülbibliothek hilft bei der systematischen Suche nach Wirkstoffen

    Um die Entwicklung von Medikamenten zu beschleunigen, hat das MX-Team am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) mit der Drug Design Gruppe der Universität Marburg eine neue Substanzbibliothek aufgebaut. Sie besteht aus 1103 organischen Molekülen, die als Bausteine von neuen Wirkstoffen infrage komm ... mehr

  • q&more Artikel

    Von der RNA- zur Protein-Welt

    Die Evolution des tRNA-Prozessierungsenzyms (RNase P) hat in den verschiedenen ­Bereichen des Lebens zu sehr unterschiedlichen architektonischen Lösungen geführt. So ist die bakterielle RNase P grundsätzlich anders aufgebaut als die menschlichen RNase P-Enzyme in Zellkern und Mitochondrien. ... mehr

  • Autoren

    Dennis Walczyk

    Dennis Walczyk, geb. 1984, studierte Chemie an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2012 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hartmann am Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Marburg und beschäftigt sich dort u.a. mit der En ... mehr

    Prof. Dr. Roland K. Hartmann

    Roland K. Hartmann, geb. 1956, ist Professor der Pharmazeutischen Chemie an der Philipps-Universität Marburg. Er studierte Biochemie an der Freien Universität Berlin, wo er 1988 mit dem Ernst Reuter-Preis für seine hervorragende Dissertation ausgezeichnet wurde. Seine Forschungsinteressen u ... mehr

q&more – die Networking-Plattform für exzellente Qualität in Labor und Prozess

q&more verfolgt den Anspruch, aktuelle Forschung und innovative Lösungen sichtbar zu machen und den Wissensaustausch zu unterstützen. Im Fokus des breiten Themenspektrums stehen höchste Qualitätsansprüche in einem hochinnovativen Branchenumfeld. Als moderne Wissensplattform bietet q&more den Akteuren im Markt einzigartige Networking-Möglichkeiten. International renommierte Autoren repräsentieren den aktuellen Wissenstand. Die Originalbeiträge werden attraktiv in einem anspruchsvollen Umfeld präsentiert und deutsch und englisch publiziert. Die Inhalte zeigen neue Konzepte und unkonventionelle Lösungsansätze auf.

> mehr zu q&more

q&more wird unterstützt von: