06.01.2021 - Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Chemikern gelingt Synthese von Amino-Alkoholen durch Licht

Neue Methode zur Erzeugung der am wenigsten zugänglichen Form von vizinalen Amino-Alkoholen

Ob in Beta-Blockern zur Behandlung von Bluthochdruck oder in Naturprodukten: Sogenannte Vizinale Amino-Alkohole sind hochwertige organische Verbindungen, die in vielen alltäglichen Produkten vorkommen. Ihre Herstellung ist jedoch schwierig. Seit langem versuchen Chemiker, effiziente Methoden ihrer Synthese zu entwickeln. Wissenschaftler um Prof. Dr. Frank Glorius von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben in ihrer kürzlich in der Fachzeitschrift "Nature Catalysis" veröffentlichten Studie jetzt eine Lösung für die Herstellung einer speziellen Variante der Amino-Alkohole gefunden. „Diese neue Methode hilft, die Eigenschaften des Stoffes zu untersuchen und in naher Zukunft Anwendungen für diese neuen Verbindungen zu finden", betont Frank Glorius vom Organisch-Chemischen Institut der WWU.

Vizinale Amino-Alkohole können in zwei verschiedenen Varianten – Isomere genannt – vorkommen, bei denen die funktionellen Amin- und Alkoholgruppen ihre Positionen tauschen. Sie sind sich damit zwar sehr ähnlich, haben allerdings häufig unterschiedliche biochemische Eigenschaften. Die beiden Amin- und Alkoholgruppen in einem Schritt einzubauen, stellt eine große Herausforderung dar. Die Entdeckung der „Asymmetrischen Amino-Hydroxylierungsreaktion“ mit dem eines der Isomere hergestellt werden kann, belohnte den Chemiker Barry Sharpless 2001 sogar mit einem Nobelpreis. Das andere Isomer kann jedoch nicht auf diese Weise synthetisiert werden und blieb ein langjähriges Problem – bis jetzt. Mithilfe der neuen durch Licht initiierten Reaktionsmethode der WWU-Chemiker ist nun auch die Synthese des anderen Isomers effizient möglich geworden.

Hintergrund und Methode

Unaktivierte Alkene, die eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung enthalten, sind aufgrund ihrer guten Verfügbarkeit als Ausgangschemikalien für Reaktionsprozesse bekannt. Im Allgemeinen wird der Einbau sowohl von Amin- als auch von Alkoholgruppen in einem Schritt über diese Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung von nicht aktiviertem Alken immer durch die Amingruppe initiiert, gefolgt von der Addition der Alkoholgruppe. Als Ergebnis wird immer ein bestimmtes Isomer des vizinalen Amino-Alkohols gebildet. Die Wissenschaftler haben jetzt eine bestimmte Klasse von aminähnlichen Verbindungen identifiziert, die reaktiv und dennoch stabil genug sind, um zunächst die Addition der Alkoholgruppe an die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung und anschließend die Addition der Amingruppe zu ermöglichen, um das bisher unzugängliche Isomer der vizinalen Amino-Alkohole zu erzeugen.

"So wie Pflanzen Chlorophyll verwenden, um Licht in Energie umzuwandeln, verwenden wir einen sogenannten Photokatalysator", erklärt Dr. Tuhin Patra, Erstautor der Studie. "Dieser Katalysator kann das Licht von blauen LEDs absorbieren und seine Energie auf ein unmittelbar an der Reaktion beteiligtes Molekül übertragen. Dabei werden gleichzeitig die Amin- und Alkoholgruppen freigesetzt.“ Dieser Vorgang, bei dem die Moleküle gegenseitig Elektronen übertragen, werde als Energietransfer bezeichnet, erläutert der Wissenschaftler.

Attraktiv ist, dass die neue Methode das am wenigsten zugängliche Isomer der vizinalen Aminoalkohole so erzeugt, dass sowohl die Alkohol- als auch die Amingruppe vor weiteren Reaktionen geschützt sind. Je nach Bedarf des Anwenders kann danach eine der beiden Alkohol- oder Amingruppen reaktiviert werden, ohne die andere zu beeinträchtigen. Es können aber auch beide Gruppen gleichzeitig zu weiteren Reaktionen befähigt werden, falls das für die Synthese weiterer Stoffe nötig ist. "Bei den bisherigen Designs wird in der Regel immer nur eine Gruppe in einem komplexen mehrstufigen Gesamtprozess installiert. Unser Design erlaubt nicht nur den Einbau von zwei verschiedenen Gruppen in einem Schritt mit gewünschtem Schutz, sondern erzeugt auch zuverlässig das am wenigsten zugängliche Isomer und bietet damit die Chance, künftige Anwendungsmöglichkeiten dieser Verbindung zu untersuchen“, schlussfolgert Frank Glorius.

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