21.09.2020 - Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V.

Neuartiger Ansatz 
zur Speicherung von Sonnenenergie

Molekularer Ansatz ermöglicht lichtgetriebene Photochemie erstmals im Dunkeln

Die Energie aus der Sonne so effizient zu nutzen und in chemische Energie umzuwandeln wie es die Natur macht, könnte den weltweiten CO2-Ausstoß drastisch verringern. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien und der Universität Jena ist dieser Vision nun einen Schritt näher gekommen. Die Forscher haben ein chemisches System entwickelt, das Lichtenergie sammelt und für mindestens 14 Stunden auf einem Molekül speichert. Damit entkoppelt ihr System photochemische Prozesse vom Tag-Nacht-Zyklus - und überwindet somit eine Hürde, die solarbetriebene Photochemie für kontinuierliche industrielle Produktionsprozessen bislang ungeeignet machte.

Die Natur hat das Problem bereits gelöst: In der Photosynthese wandeln Pflanzen Kohlendioxid mit Hilfe von Sonnenlicht in chemische Verbindungen um - und zwar so, dass die in chemischen Bindungen gespeicherte Sonnenenergie auch dann zur Verfügung steht, wenn es dunkel ist. Forscher versuchen, diesen Prozess nach dem Vorbild der Natur nachzuahmen; allerdings funktioniert die solargetriebene Photochemie mangels geeigneter Speichermöglichkeiten bislang nur bei Helligkeit.

Molekularer Ansatz ermöglicht lichtgetriebene Photochemie erstmals im Dunkeln

Das Forschungsteam vom Leibniz-IPHT und der Universität Jena stellt im „Journal of the American Chemical Society“ nun einen molekularen Ansatz zur Speicherung von Sonnenenergie vor, mit dem es erstmals gelingt, photochemische Reaktionen vom Tag-Nacht-Zyklus zu entkoppeln und sie unabhängig vom Tageslicht stattfinden zu lassen. Im Unterschied zu bisherigen Ansätzen, die auf Festkörpermaterialien basieren, erzeugen die Forscher reaktive Photoredox-Äquivalente auf einem kleinen Molekül. Damit können sie die Lichtenergie nicht nur über eine zuvor nicht erreichte Dauer von mindestens 14 Stunden speichern, sondern sie bei Bedarf auch regenerieren.

„Die Abhängigkeit von Helligkeit und Dunkelheit war bislang eine große Hürde, wenn es darum ging, die solarbetriebene Photochemie für kontinuierliche industrielle Produktionsprozesse einzusetzen“, erläutert Erstautor Dr. Martin Schulz, der an der Universität Jena sowie in der Abteilung „Funktionale Grenzflächen“ am Leibniz-IPHT forscht. „Wir gehen davon aus, dass unsere Ergebnisse neue Möglichkeiten eröffnen, um Systeme zur Umwandlung und Speicherung von Sonnenenergie sowie für die Photo(redox)katalyse zu erforschen.“

Hohe Ladekapazität auch nach mehreren Zyklen

Im chemischen System, das die Jenaer Forschenden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „CataLight“ entwickelten, befinden sich der Photosensibilisator und die Ladungsspeichereinheit auf demselben kleinen Molekül. Dies macht den intermolekularen Ladungstransfer zwischen einem separaten Sensibilisator und einer Ladungsspeichereinheit überflüssig. Das System behält auch nach vier Zyklen Dreiviertel seiner Ladekapazität bei.

Die Forscher nutzen einen Kupferkomplex und somit ein Molekül, das auf einem gut verfügbaren Metall basiert, während bisherige Ansätze auf seltene und teure Edelmetalle wie Ruthenium zurückgreifen. Der doppelt reduzierte Kupferkomplex kann nach der photochemischen Aufladung gelagert und als Reagenz in Dunkelreaktionen, etwa der Reduktion von Sauerstoff, verwendet werden.

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