10.07.2018 - Technische Universität Wien

Maßgeschneiderte Polymere aus dem Drucker

Effiziente Kettenübertragung für den 3D-Druck fester Photopolymere

Immer mehr Beschichtungsstoffe, wie Kleber, Druckfarben und Lacke, aber auch Zahnfüllungen und Zahnersatz werden durch Bestrahlung mit Licht ausgehärtet. Homogene, maßgeschneiderte Polymernetzwerke sind so jedoch nicht herstellbar und die entstehenden Materialien sind eher spröde, was kommerzielle Anwendung von Photopolymeren im 3D-Druck, der Biomedizin und Mikroelektronik limitiert.  Forscher stellen eine Methode vor, mit der sich Methacrylat-basierte homogen vernetzte, zähe Photopolymere gezielt herstellen lassen – auch hochaufgelöst per 3D-Druck.

Die Härtung per Licht ist eine meist radikalisch ablaufende Kettenpolymerisation. Ein Initiator wird durch Lichtenergie in Radikale gespalten, die dann die Monomere angreifen, beispielsweise an der C=C-Doppelbindung einer Vinylgruppe. So entsteht ein neues Radikal, das Ausgangspunkt für ein wachsendes Polymernetzwerk wird, indem es weitere Monomere angreift und bindet.

Neuere Verfahren, um die radikalische Photopolymerisation und damit die Materialeigenschaften besser zu steuern, verlangsamen jedoch die Aushärtung, was wiederum für 3D-Druckverfahren nicht geeignet ist. Eine kurze Bestrahlungsphase ist hier entscheidend für eine hohe räumliche Auflösung sowie für eine wirtschaftliche Produktionsdauer.

Einen neuen Ansatz, mit dem sich Methacrylat-basierte Photopolymere maßgeschneidert herstellen lassen, ohne dass die Aushärtung verzögert ist, hat das Team um Robert Liska von der Technischen Universität Wien entwickelt. Erfolgsgeheimnis ist die Zugabe eines sogenannten Ester-aktivierten Vinylsulfonsäureesters (EVS), der als Kettenüberträger wirkt. Er ist in dem Sinne aktiviert, dass er einen Molekülteil sehr leicht abspalten kann.

Greift das wachsende Polymernetzwerk statt des nächsten Monomers den EVS an, entsteht ein Intermediat, das rasch zerfällt: in eine nicht mehr weiter wachsende Polymerkette im Netzwerk sowie ein hochreaktives Radikal (Tosyl-Radikal), das eine neue Kettenreaktion startet. Je mehr EVS zugegeben wird, desto kürzer die mittlere Kettenlänge im Polymernetzwerk. Da die kürzeren Polymerketten länger gegeneinander beweglich bleiben, ist die Gefahr von Schrumpfungsrissen während der Härtung deutlich verringert. Anders als bei herkömmlichen Kettenüberträgern wird die Polymerisation aber nicht verzögert, da weder stabile Intermediate noch reversible Reaktionsschritte beteiligt sind, sondern die Abspaltung des Tosyl-Radikals bevorzugt stattfindet.

Als Beispiel druckten die Forscher eine gerüstartige Struktur aus einem Methacrylat-Copolymer. Einzelne Lagen von 50 µm Dicke waren dabei gut räumlich aufgelöst. Das Material ist sehr homogen, fest, aber elastisch und schlagzäh mit hoher Bruchdehnung, Eigenschaften, die sich über die zugegebene EVS-Menge gezielt justieren lassen. Ohne EVS-Zugabe zeigte sich das Material dagegen recht brüchig. Der neue Ansatz ebnet den Weg zu festen Hochleistungs-Photopolymeren für Anwendungen in der Biomedizin, etwa als Formgedächtnispolymere, für die Gewebezucht und als Zahnfüllungen.

Fakten, Hintergründe, Dossiers

  • 3D-Druck
  • Photopolymere
  • Druckverfahren
  • Methacrylate
  • Kettenpolymerisation
  • radikalische Photop…
  • Photopolymerisation
  • Vinylsulfonsäureester
  • Copolymere

Mehr über TU Wien

  • News

    Drei Augen sehen mehr als zwei - katalytische Reaktion mit drei verschiedenen Mikroskopen unter exakt gleichen Bedingungen in Echtzeit verfolgt

    Man muss sehr genau hinsehen, um exakt zu verstehen, welche Prozesse an den Oberflächen von Katalysatoren ablaufen. Bei festen Katalysatoren handelt es sich oft um fein strukturierte Materialien aus winzigen Kristallen. Es gibt verschiedene Arten der Mikroskopie, mit denen man die chemische ... mehr

    Chemielabor auf einem Chip analysiert Flüssigkeiten in Echtzeit

    An der TU Wien wurde ein Infrarot-Sensor entwickelt, der in Sekundenbruchteilen Inhaltsstoffe von Flüssigkeiten detektiert. Was machen die Moleküle gerade im Reagenzglas? In der chemischen Technologie ist es oft wichtig, exakt zu messen, wie sich die Konzentration bestimmter Substanzen verä ... mehr

    Ein Molekül aus Licht und Materie

    Ein ganz besonderer Bindungszustand zwischen Atomen konnte nun erstmals im Labor erzeugt werden: Mit einem Laserstrahl lassen sich Atome polarisieren, sodass sie auf einer Seite positiv, auf der anderen Seite negativ geladen sind. Dadurch ziehen sie einander an und bilden einen ganz speziel ... mehr

  • q&more Artikel

    Wirkstoffsuche im Genom von Pilzen

    In Pilzen schlummert ein riesiges Potenzial für neue Wirkstoffe und wertvolle Substanzen, wie etwa Antibiotika, Pigmente und Rohstoffe für biologische Kunststoffe. Herkömmliche Methoden zur Entdeckung dieser Verbindungen stoßen zurzeit leider an ihre Grenzen. Neueste Entwicklungen auf den G ... mehr

    Organs-on-a-Chip

    Ziel der personalisierten Medizin oder Präzisionsmedizin ist es, den Patienten über die funktionale Krankheitsdiagnose hinaus unter bestmöglicher Einbeziehung individueller Gegebenheiten zu behandeln. Organ-on-a-Chip-Technologien gewinnen für die personalisierte Medizin sowie die pharmazeut ... mehr

  • Autoren

    Dr. Christian Derntl

    Christian Derntl, Jahrgang 1983, studierte Mikrobiologie und Immunologie an der Universität Wien mit Abschluss Diplom. Sein Doktoratsstudium im Fach Technische Chemie absolvierte er 2014 mit Auszeichnung an der Technischen Universität Wien. Dabei beschäftigte er sich mit der Regulation von ... mehr

    Sarah Spitz

    Sarah Spitz, Jahrgang 1993, studierte Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) mit Abschluss Diplomingenieur. Während ihres Studiums war sie für zwei Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Biotechnologie (DBT) der BOKU angestellt. Nach einer inte ... mehr

    Prof. Dr. Peter Ertl

    Peter Ertl, Jahrgang 1970, studierte Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur, Wien. Im Anschluss promovierte er in Chemie an der University of Waterloo, Ontario, Kanada und verbrachte mehrere Jahre als Postdoc an der University of California, Berkeley, USA. 2003 ... mehr

Mehr über Wiley-VCH

  • News

    Knoblauchinhaltsstoff aus dem Labor

    Frisch gepresster Knoblauch enthält eine Vielzahl von gesunden schwefelorganischen Verbindungen. Ein knoblauchtypischer Inhaltsstoff, der aus Ölextrakten gewonnen werden kann, ist Ajoen. Erstmals haben Chemiker aus Großbritannien diese Substanz jetzt rein aus gängigen Ausgangsstoffen synthe ... mehr

    Intelligente Fluoreszenzfarbstoffe

    Die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung von Fluoreszenz- und Phosphoreszenzfarbstoffen liegt in der exakten Einstellung der angeregten Elektronenzustände. Wissenschaftler in Japan haben nun ein organisches Lumineszenzsystem mit einem ungewöhnlichen reizresponsiven Farbumschlag entwicke ... mehr

    Ein elastischer Lufthauch

    Luftig, luftiger, Aerogel. Hohe Brüchigkeit limitierte bisher allerdings die praktische Anwendung dieser hauchzarten Feststoffe, die fast nur aus luftgefüllten Poren bestehen. Das könnte jetzt anders werden: Japanische Wissenschaftler stellen extrem elastische Aerogele vor, die sich gut bea ... mehr

q&more – die Networking-Plattform für exzellente Qualität in Labor und Prozess

q&more verfolgt den Anspruch, aktuelle Forschung und innovative Lösungen sichtbar zu machen und den Wissensaustausch zu unterstützen. Im Fokus des breiten Themenspektrums stehen höchste Qualitätsansprüche in einem hochinnovativen Branchenumfeld. Als moderne Wissensplattform bietet q&more den Akteuren im Markt einzigartige Networking-Möglichkeiten. International renommierte Autoren repräsentieren den aktuellen Wissenstand. Die Originalbeiträge werden attraktiv in einem anspruchsvollen Umfeld präsentiert und deutsch und englisch publiziert. Die Inhalte zeigen neue Konzepte und unkonventionelle Lösungsansätze auf.

> mehr zu q&more

q&more wird unterstützt von: